Zu Beginn gleich ein Geständnis: Ich mag keine Dungeon Crawler! Ich finde stupides „Neuer Raum, Kampf, neuer Raum, Kampf,…“ echt langweilig, sowohl als Spieler als auch als Spielleiter. Warum ich das jetzt hier gleich am Anfang sage? Damit der mündige Leser meine folgenden Ausführungen besser einordnen kann – Nebenbei, genau aus demselben Grund schreibe ich auch immer hin, wenn ich ein Rezensionsexemplar bekomme. Ihr wisst schon, Transparenz und so ;-) Aber zurück zum Thema: Bei „Zug um Zug“ handelt es sich um einen Abenteuerband von Frank Sauer für das deutsche Rollenspiel „Contact: Das Taktische UFO-Rollenspiel“. Darin haben Aliens einen Atomzug gekapert. Und um zum Anfang zurück zu kehren: Der Kampf von Waggon zu Waggon entpuppt sich als halb-modularer Dungeon Crawler mit B-Movie-Actionfilm-Story… Noch eine kleine private Abschweifung zu Beginn: „Contact“ ist wie meine Exfreundin – Man will mit ihr glücklich sein, aber dafür muss man ziemliche Opfer bringen :-( Oder um diesen Satz auf das Grundregelwerk zu übertragen: Taktisches Gameplay, atmosphärische Optik und diese geniale Spielwelt lassen mein Herz vor Freude jauchzen, aber die komplizierten Regeln mit den megakomplexen Matheformeln verlangen schon ziemlich viel Aufopferung und marterndes Kopfzerbrechen. Darum lag dieses dicke Buch bei mir jetzt schon seit fast einem Jahr relativ unbenutzt in der Schublade - OK, unbenutzt ist falsch, ich schau mir ab und zu gerne den Hintergrund an (denn der ist einfach cool), aber bisher hatte ich vor dem taktischen Regelschwergewicht doch zu viel Respekt und eigentlich auch immer zu wenig Zeit für eine Einarbeitung. Vermutlich für solche Einsteiger wie mich wurde der sowohl für Spieler als auch für Spielleiter sehr zugängliche Abenteuerband „Zug um Zug“ geschrieben. Darin sind die Spieler weiterhin Teil der ultrageheimen Alienjäger-Geheimorganisation OMEGA. Die hat es geschafft, ein unvorsichtiges Ufo abzuschießen und will nun die Wrackteile nebst gefangener Aliens per atomgetriebenem Zug ins Hauptquartier zur Untersuchung befördern. Achtung jetzt kommt ein Spoiler: Eine ebenso geheime Ufo-Sekte hat aber davon Wind bekommen und einen Maulwurf in das Zug-Wachpersonal eingeschleust. Dieser verrät natürlich die geheime Fracht, die Kultisten legen einen Hinterhalt und befreien die gefangenen Aliens. Diese zeigen sich aber ziemlich undankbar, übernehmen ihre Befreier per Gedankenkontrolle und metzeln sich durch den Zug. Das an sich ist ja schon ein ziemliches Tohuwabohu, aber natürlich kommt auch noch ein anderer Zug entgegen und ein final angreifendes Ufo darf auch nicht fehlen! Um es also kurz zu machen: Die Story ist zweifelsohne nicht innovativ, aber ziemlich actionreich, antreibend und motivierend. Hier geht es pausenlos vorwärts: Schon die Ankunft der Spieler ist mit einigen unvorhergesehenen Hindernissen gespickt, die den Erfolg der Mission bei schlechten Spontanentscheidungen und miesen Würfelergebnissen akut gefährden kann. Gerade der Beginn des Szenarios ist für mich in seiner Intensität und seinem Chaos DAS Highlight des Heftes. Danach wird es ein wenig unspektakulärer: Sind die Spielcharaktere in den Zug gelangt, müssen sie sich Abteil für Abteil durch den fahrenden Zug (künstlicher Zeitdruck, falls der Spielleiter es wünscht) kämpfen und sowohl die Hintergrunde aufklären als auch den Zug stoppen und natürlich die Aliens einfangen. Das ist schon arg linear, gerade weil die Waggons natürlich aufgrund ihrer räumlichen Enge nicht so viel Platz fürs Taktieren oder alternative Herangehensweisen bieten. Die Handlung gleitet - auch wenn der Spielleiter die Reihenfolge der Waggons ändern kann - wie auf Schienen auf das Finale zu (na, wer hat die mittelprächtige Anspielung verstanden?). Nun muss lineares Dungeons Crawling ja prinzipiell nicht schlecht sein, solange sich die dramatischen Elemente oder Spielereignisse nicht wiederholen (beispielsweise wäre es langweilig, wenn in jedem Zugabteil ein Alien darauf wartet verprügelt zu werden). Und hier glänzt „Zug um Zug“ dann: Jedes Abteil bietet eine neue, abwechslungsreiche Aufgabenstellung und Herausforderung. Setzt der Spielleiter dabei auch noch die optionalen Ereignismodule gezielt ein, wird kein Zugabteil dem Anderen gleichen und keine Langeweile aufkommen. So macht dann selbst mir ein Dungeon Crawler Spaß ;-) Der Spaß wird dann ungefähr einen Abend lang anhalten, höchstens aber zwei wenn die Spieler besonders vorsichtig und gründlich agieren. Das mag bei einem Preis von 10,95 € nicht viel erscheinen, aber dafür wird man halt wirklich gut unterhalten. Das 32-seitige Heftchen bietet für diesen Preis ein komplettes, abgeschlossenes Abenteuer sowie sieben Anhänge (beispielsweise 3 NPCs, neue Regeln sowie Handouts (Link)). Die optische Qualität des Heftes ist ebenfalls gut: Der stylische Umschlag aus dünner Pappe ist stabil und das Papier hat eine gute Haptik. Der Innenteil ist in Grautönen gehalten und bietet nur wenige Bilder, ist dafür aber übersichtlich und gut lektoriert. Der Abenteuerband ist zudem sehr Spielleiter-freundlich angelegt: Es gibt nützliche Tipps und man muss nichts selber ausarbeiten, weil es genauso wie es ist spielerisch funktioniert! Fazit: Ich kann jeder „Contact“-Spielrunde, die ein für Einsteiger geeignetes Abenteuer sucht, vorbehaltlos ans Herz legen sich dieses Buch zu kaufen. Höchstens wer Kämpfe gar nicht mag, ist hier falsch – Aber warum zum Teufel sollte man „Contact“ spielen, wenn man keine Kämpfe mag???