Dies ist mittlerweile schon mein 6. Interview zum Thema Indie-Rollenspiele. Was die meisten Vorstellungen gemeinsam hatten war, dass sie sich entweder noch komplett in der Entwicklung befanden oder nur im kleineren Rahmen veröffentlicht wurden, etwa als Selbstverlag oder als Download. Mit "Seelenfänger" stelle ich euch heute ein Projekt vor, dass schon einen Schritt weiter gegangen ist: Ein renommierter Verlag ist gefunden und sogar ein Hörspiel ist schon in Produktion! Hallo Jörg. Magst Du Dich den Lesern bitte kurz vorstellen?
"Hi, ich bin Jörg Köster und bin Jahrgang 72. Ich wohne zusammen mit meiner Frau und meinem kleinen Sohn in der schönsten Stadt der Welt – in Hamburg. Ich arbeite in der IT und nutze das bisschen Freizeit was mir neben Job und Familie bleibt vor allem für Freunde und mein größtes Hobby: das Rollenspiel. Dazu kam ich vor mittlerweile etwa zwanzig Jahren und habe es nie bereut."
Kannst Du Dein System bitte kurz vorstellen?
"Unser Rollenspiel "Seelenfänger" (Link) ist ein Dark Fantasy Setting. Manche nennen es auch dunkle Märchen- oder postapokalyptische Fantasy, denn das gefallene Reich in dem "Seelenfänger" spielt durchlebt gerade seine dunkelste Ära. In einem Kontinent-umspannenden Krieg entging es nur knapp der Vernichtung, als es vom letzten Hoffnungsträger gerettet und gleichzeitig verraten wurde. Ein Fluch sucht seitdem das Täuscherland heim, der die Landesgrenzen mit einem magischen Nebel versiegelte und die Barrieren zur Anderswelt brüchig machte. Dunkle Feenwesen (Sagengestalten und Bestien) suchen seitdem Land und Leute heim. Und das alles passierte einem Land, das ohnehin eine dunkle Geschichte hat: Zerstörerische Magie und Ruhelose Seelen prägten die Vergangenheit. Letztere stehen in besonderem Maß im Mittelpunkt des Settings. Geister waren auch schon vor dem Fluchfall alltäglich und drei Seelenfänger-Orden buhlen mit unterschiedlichen Intentionen um das Recht, ihrer habhaft zu werden. Die Ruhelosen Seelen durchdringen buchstäblich alles und in irgendeiner Form ist jeder schon mit ihnen in Berührung gekommen. Wir gehen davon aus, dass die Spieler in die Rollen eines reisenden Seelenfängers und seiner Begleiter schlüpfen, was jedoch nicht bedeutet, dass dieser Seelenfänger auch im Mittelpunkt der Handlung stehen muss. Das Setting bietet genügend Facetten für viele sehr unterschiedliche Abenteuer."
Was macht Euer Rollenspiel im Vergleich zu anderen Dark Fantasy-Systemen besonders?
"Was das Täuscherland von anderen Fantasy-Welten unterscheidet sind vor allem die allgegenwärtigen Geister. In Verbindung mit dem teuflischen Nebel, der ständig neue Schrecken ausspeit, machen sie das Land zu einem wirklich düsteren Ort, den es für die Spieler zu erkunden und zu überleben gilt. Wir versuchen hier eine atmosphärische, gefährliche Welt zu kreieren, die aber auch viel Platz für Abenteuer, Intrigen und Detektivgeschichten bietet. Neben umfangreichem Material für den Spielleiter hat das Setting aber auch noch großen Spielraum für eigene Ideen. Das war uns sehr wichtig beim Design."
Wie kamst Du auf die Idee, ein eigenes Rollenspiel zu entwickeln?
"Wie wohl die meisten Anderen, habe ich vor vielen Jahren zunächst viel in fertigen Welten und Systemen gespielt und geleitet. Angefangen hat alles damals mit Advanced Dungeons & Dragons 2nd edition, dem dann viele Andere folgten. Irgendwann fing ich an, immer mehr Hausregeln einzuführen, da mir und meinen Spielrunden die fertigen Vorlagen nicht ausreichten. Daraus entstand dann der Gedanke, ein eigenes Regelwerk zu entwerfen. Damit spielten wir dann lange Zeit in bekannten Fantasy-Welten und später dann in selbst entworfenen, darunter das Täuscherland von Seelenfänger."
Dark Fantasy ist im "DSA-Land" Deutschland ja eher exotisch. Was hat Dich zu diesem speziellen Setting inspiriert?
"Ich hatte irgendwann die Idee einer Welt, in der Geister und Spuk Wirklichkeit sind und im Mittelpunkt stehen. Das Ganze sollte in einer finsteren Fantasy-Welt spielen, die nicht wie so viele andere von Elfen, Zwergen und Drachen bevölkert ist. Und so kam die Idee eines Fluchs, der auf einer nicht alltäglichen Welt der Menschen liegt und diesen das Leben schwer macht. Das ganze entwickelte sich über die Jahre von einer fixen Idee bis zu einem vollständigen Setting mit eigener Mythologie und Geschichte."
Und hast Du die Regeln gezielt darauf hin entwickelt, oder kamen erst die Regeln?
"Eigentlich gleich, als ich den Einfall des Settings hatte, habe ich mich dazu entschieden, eigene Regeln zu entwerfen. Damals kannte ich "Fate" noch nicht. Also entwickelte ich passend zur Welt auch ein eigenständiges System. Nach der ersten Edition hatte ich einiges Feedback bekommen und habe mich im Laufe der Zeit selbst auch weiter entwickelt. Also musste auch "Seelenfänger" weiter entwickelt werden und es sollte eine zweite Edition kommen, mit neuen Regeln unter dem Namen "SoulDice". Im Laufe der Entwicklung merkte ich aber, dass ich mich mit meinen Regeln immer mehr den Ideen von "Fate" annäherte. Mitte 2014 kam ich dann mit Christian Löwenthal von "Prometheus Games" ins Gespräch und daraus entwickelte sich die Idee, einen neuen Settingband zu schreiben, basierend auf Hintergrund und den Erfahrungen der ersten Edition, aber mit den neuen Regeln von "Fate Core", das ja passenderweise dieses Jahr auch auf Deutsch erscheint. So entstand "Seelenfänger: Täuscherland"."
Plaudere doch mal aus dem Entwickler-Nähkästchen. Wie kann ich mir die Entwicklung eines Rollenspiels so vom Arbeitsablauf und Arbeitsaufwand vorstellen?
"Seit etwa zwei Jahren arbeite ich nicht mehr alleine an "Seelenfänger". Mittlerweile sind wir ein Team von vier Autoren: Ich arbeite mit Dirk Walbrühl und Florian Wehner am Setting und André Pönitz kümmert sich um die "Fate"-Regelumsetzung. Darüber bin ich sehr froh, denn ohne mein großartiges Team wäre es nie zu einer derart umfassenden Weiterentwicklung gekommen. Der Arbeitsaufwand ist nicht zu unterschätzen, da geht viel Zeit drauf. Wenn man hier nicht mit viel Engagement und Herzblut dabei ist, sollte man es lieber lassen. Wir nutzen Email, Skype und soziale Netzwerke zur Kommunikation untereinander, da wir vier über Deutschland verstreut leben. Die gemeinsamen Arbeiten finden über Cloud-Dienste wie Google Drive und Microsoft OneDrive statt. Jeder hat seine eigenen Aufgaben, aber alle unterstützen einander, wo sie können. Letztlich läuft alles bei mir zusammen und ich koordiniere, korrigiere, sorge für Konsistenz des Endproduktes usw."
Wie ist der aktuelle Entwicklungsstand? Und wie ist die Resonanz der Spieler?
"Die Arbeiten an den Texten zu "Seelenfänger: Täuscherland", unserem Settingband sind nahezu abgeschlossen. Wir sind jetzt in einer intensiven Testphase angekommen und prüfen dabei unsere Regelergänzungen auf Herz und Nieren. Das sind zwar nicht viele Erweiterungen, aber gerade der Seelenfang musste in "Fate Core" völlig neu geregelt werden und die sehr freie Magie brauchte eine flexible Mechanik, um ein schnelles, intuitives Spielen trotz umfangreicher Möglichkeiten zu erlauben. Die Reaktionen unserer Testleser und Testspieler von "Seelenfänger: Täuscherland" zeigen uns, dass der Schritt in Richtung Fate genau der richtige war. Natürlich gibt auch konstruktive Kritik und Fragen, die wir aber gerne aufnehmen und – da es ja jetzt noch geht – in den Text des Buches einfließen lassen. Wir freuen uns sehr, dass "Seelenfänger: Täuscherland" in kleinerem Rahmen so gut ankommt und hoffen, dass das später auch bei einem größeren Publikum ähnlich sein wird."
Wie wird die Zukunft aussehen? Kommt eventuell sogar eine gedruckte Version?
"Die erste Edition von "Seelenfänger" gab es ja bereits in gedruckter Form, sowohl als Softcover, als auch in streng limitierter Hardcover-Aufgabe. Damals habe ich die allerdings noch selbst verlegt. Jetzt haben wir uns mit "Prometheus Games" zusammengetan und planen "Seelenfänger: Täuscherland" dieses Jahr als PDF und Print herauszubringen. Pläne haben wir darüber hinaus noch eine ganze Menge. Ebenfalls dieses Jahr wird das erste "Seelenfänger"-Hörspiel erscheinen. Produziert und umgesetzt wird es von Marco Ansing, der auch in anderen Hörspielprojekten schon aktiv war. Die Takes dazu sind bereits alle im Kasten und die ersten haben ihren Weg zum Cutter gefunden. Dann planen wir zwei Folgebände zum Settingband. Diese wären "Seelenfänger: Feenland", ein Band zum Thema Anderswelt und Feenwesen und das Buch "Seelenfänger: Dämonenland", welches sich mit einer weiteren großen Bedrohung befassen wird, den Dämonen, die bisher eher im Hintergrund angedeutet wurden. Beide Bücher werden zwar nicht den Umfang von "Seelenfänger: Täuscherland" haben, aber insgesamt einen Bogen spannen, der es in sich hat. Darüber hinaus plane ich noch eine Anthologie mit Geschichten aus dem Täuscherland und natürlich Abenteuer. Das ist ganz schön viel, aber für "Seelenfänger" lohnt sich die Mühe!"
Ich danke dir herzlich für das Interview und bin persönlich besonders auf das Hörspiel (Link) sehr gespannt!
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