Die Fußball-WM läuft und da kommt selbst mein Hobby-Blog über Nerdkultur nicht dran vorbei ;-) Allerdings, so viel Treue zum eskapistischen Gesellschaftsspiel muss schon sein, in Form eines weiteren Indie-Interviews mit einem Spieleautor. Und zwar mit Thomas Guggenberger, welcher die Fußball-Faszination mit "Rasen-Schach" einfangen will :-) Hallo Thomas. Stell Dich doch bitte erst einmal den LeserInnen vor.
"Hallo, ich heiße Thomas, bin 36, verheiratet und habe zwei Kinder, die 7 und 5 Jahre alt sind. Wir leben auf dem Land und sind gerne im Freien. Wenn das nicht geht erfinde ich ein Spiel, das mich und meine Kinder so lange beschäftigt, bis der Regen wieder aufhört"
Wie verlieft Deine Brettspiel-Karriere?
"Meine „Brettspiel-Karriere“ hat schon als Kind begonnen. Es gab immer bestimmte Spiele (meist eher komplexe), die mich fasziniert haben. Oft war es nur das Cover oder die kurze Beschreibung auf der Rückseite eines Spiels, das ich im Laden oder in einem Katalog gesehen habe. Das hat mich dann tagelang beschäftigt und ich habe mir überlegt, wie das Spiel wohl funktioniert. Gekauft habe ich die Spiele eher selten, da gab es zu wenige in meinem Umfeld, die Begeisterung für Brettspiele geteilt haben. Deshalb konnte ich mich umso intensiver „gedanklich“ mit den Spielen befassen."
Und wie kamst Du dazu, nun auch selbst als Brettspiel-Autor eigene Spiele zu entwickeln?
"Das ist dann irgendwie so entstanden, wenn keiner mit mir ein Brettspiel spielen wollte - oder nur die Klassiker, die man schon x-mal gespielt hatte - habe ich die Idee von einem Spiel oder von einem Cover aufgegriffen und mein eigenes Spiel daraus entwickelt. Das hat mich als Kind genauso oder noch mehr fasziniert, als das Spiel tatsächlich zu spielen. Als Jugendlicher wurden dann plötzlich andere Dinge wichtiger und mein erstes Spiel als Erwachsener habe ich vor ca. 4 Jahren erfunden."
Welche Art von Spielen erfindest Du? Hast Du ein bestimmtes Genre?
"Ich habe eine ganze Reihe einfacher Spiele für meine Kinder erfunden. Das lief eine Zeit lang fast wie am Fließband, war nicht immer der große Wurf, aber meine Kinder fanden es toll. Bleibt einem ja nichts anders übrig, wenn Papa ein Spiel erfindet. Parallel versuche ich seit langem ein Spiel zu entwickeln, dass meine beiden Lieblingsspiele „Siedler“ und „Risiko“ in einem Spiel vereint. Da sich mein Anspruch auch auf dem Niveau der beiden Spiele bewegt, bin ich da bisher über einige Versuche nicht hinausgekommen. Der Letzte ist aber sehr viel versprechend…"
Na dann stell Deine aktuelle Spielentwicklung doch bitte mal den LeserInnen vor.
"Mein aktueller Prototyp heißt „Rasen-Schach“ – ein Fußball-Taktik-Spiel für zwei Personen. Es funktioniert wie Fußball, allerdings auf einer DinA4-Seite mit Spielkegeln und einem Würfel an Stelle von echten Fußballspielern und Ball. Es gibt Dribblings, Kurzpässe, Tacklings und natürlich auch Traumtore. Viel spielt sich im Mittelfeld ab, bis durch einen Alleingang oder eine geschickte Kombination Torgefahr entsteht. Jetzt gilt es rechtzeitig zum Abschluss zu kommen, denn bei jedem Angriff läuft man Gefahr in einen Konter zu laufen. Wenn dann die Abseitsfalle nicht zu schnappt, steht es ganz schnell 0:1!!! Die erste Version des Spiels war sehr „taktik-lastig“, da dauerte ein Spiel schon mal echte 90 Minuten und es fielen relativ wenig Tore. Durch ein paar Veränderungen ist das Spiel dynamischer geworden. Jetzt kann man eine Halbzeit schon in ca. 15 Minuten spielen und es fallen trotzdem genauso viele Tore wie zuvor in 45 Minuten."
Wie funktionieren die Regeln?
"Jeder Spieler hat eine Mannschaft mit vier Spielern (im Prototyp ganz normale Spielkegel). Diese bewegt er über das Spielfeld (13x14 Sechseck-Felder) und versucht (war ja klar!) möglichst viele Tore mit dem Ball (=Würfel) zu erzielen. Dazu darf er pro Spielzug jeden seiner Spieler um ein Feld bewegen. Damit das Ganze ein bisschen beweglicher wird hat jeder Spieler für jeden Spielzug vier Aktionskarten zur Verfügung, mit denen er die Spieler zusätzlich bewegen kann. Da gibt es Sprints für Spieler ohne Ball, Fern- und Kurzpässe, Dribblings und Alleingänge für den ballführenden Spieler. Weil pro Spielzug bis zu drei Karten ausgespielt werden dürfen, kommt es darauf an, die Aktionskarten und die „Standardspielzüge“ (ein Feld pro Spieler) möglichst geschickt zu kombinieren, um einen Torschuss abgeben zu können. Abseitsregel und Pässe in den freien Raum sorgen für echte Fußball-Atmosphäre. Spannend wird es, wenn ein Spieler mit dem Ball in Tornähe kommt. Wartet er noch einen Spielzug ab und riskiert, dass der Gegner eine Aktionskarte „Tackling“ oder „Grätsche“ ausspielt, um ihm den Ball abzunehmen. Oder vertraut er auf sein (Würfel-)Glück und wagt einen Schuss von der Strafraumkante oder aus der zweiten Reihe."
Und welche Zielgruppe hattest Du bei der Entwicklung im Blick?
"Grundsätzlich alle die Fußball lieben. Allerdings sollte man kleinen Kindern ein oder zwei Tore Vorsprung geben. Sobald man die Abseitsregel erklären kann, ist man aber alt genug, um ohne Vorsprung zu gewinnen."
Was kam bei der Entwicklung zuerst: Die Regeln oder das Setting?
"Definitiv das Setting. Die Bewohner einer kleinen Insel in der Nordsee behaupten steif und fest, dass sie es schon vor über hundert Jahren erfunden haben. Trotzdem habe ich auf Spielelemente wie „Kick and Rush“, „Verschossener Elfmeter“ oder „Tor das gar keins war“ verzichtet ;-) :-) ;-) Nein Spaß beiseite. Es ist aber ja tatsächlich so, dass es Fußball, also das grundsätzliche Setting an dem ich mich orientiert habe, schon lange vor dem Spiel gab. Ich hab‘ mir dann die passenden Regeln überlegt, um es auf ein Spielbrett mit 21x29,7 cm zu übertragen."
Welchen aktuellen Entwicklungsstand hat "Rasen-Schach"?
"Fertig als Prototyp. Es ist spielbar und macht riesen Spaß, zumindest mir, meiner Familie und allen bisherigen Testern. Aktuell habe ich einige Prototypen an andere Spielautoren/-fans verschickt. Wenn sich aus deren Feedback weiter Ideen oder Hinweise ergeben, gibt es natürlich eine Weiterentwicklung. Und am Design muss ich noch arbeiten, das ist noch ziemlich simpel. Über Vertrieb habe ich mir auch noch wenig Gedanken gemacht. Zuerst muss das Spiel funktionieren (tut es ja schon), noch ausführlicher getestet werden und ein bessere Design bekommen."
Hast Du schon Pläne für die Veröffentlichung? Crowdfunding oder klassischer Spieleverlag?
"Wie gesagt ist das aktuell nicht meine Priorität. Aber aus Erfahrung mit anderen Spielen kann ich sagen, dass ich es wohl eher nicht über den üblichen Weg bei einem Spielverlag versuchen werde. Da braucht man eher Glück, dass die gerade das suchen was man hat. Mit Sportspielen für zwei Spieler ist das glaube ich eher schwer. Ich tendiere aktuell eher in Richtung Eigenvermarktung, am liebsten natürlich auf Basis von Vorbestellungen. Da das Spiel mit sehr wenig Material auskommt, sollte ich die Produktions- und Designkosten ohne Crowdfounding stemmen können. Vielleicht habe ich mit einer Veröffentlichung (auch wenn sie keinen finanziellen Gewinn einbringt) beim nächsten Spiel bessere Karten bei den Verlagen."
Wie kann ich Dein Spiel mal antesten? Bist Du auf Spielemessen & Autorentreffen unterwegs?
"Konkret ist nichts geplant. Ich bin Mitglied bei zwei Foren auf Facebook. Zum Testen gibt es eine kostenlose Print and Play Version, vielleicht mache ich auch nochmal ein paar Prototypen. (Hinweis an die Redaktion: Die Wäschekörbe mit den Anfragen bitte einfach an mich weiterleiten)"
Zuletzt: Hast Du für andere NachwuchsautorInnen ein paar Tipps & Tricks?
"Spiele erfinden ist meiner Meinung nach gar nicht so einfach. Klar ein einfaches Kinderspiel oder eine Adaption eines bereits bestehenden Spiels kriegt man an einem regnerischen Samstag in der Winterpause schon hin. Aber bei komplexeren Spielen muss man immer wieder ausprobieren, Dinge verändern, nochmal ausprobieren, Änderungen verwerfen, nochmal ganz von vorne anfangen und so weiter. Meine Tipps, um das durchzuhalten: - Nicht aufgeben: Auch wenn du schon bei v23 bist. Mach weiter. Wenn die Idee schlecht wäre, wärst du gar nicht so weit gekommen. Und für alles, was noch nicht rund ist, fällt dir bestimmt auch noch eine Lösung ein. - Spielen: Jedes Mal, wenn ich vom Joggen komme habe ich ein neues Spiel erfunden. Allerdings merke ich dann, wenn ich es zum ersten Mal ausprobiere, dass das so gar nicht funktioniert oder eher langweilig ist. Um tatsächlich ein spannendes Spiel zu erfinden, muss man es spielen. Fang also möglichst früh an zu basteln (Keep it simple - Tipp beachten!!!) und auszuprobieren, sonst gehen deine Ideen schnell in die falsche Richtung. - Keep it simple: Je einfacher desto besser. Lass am Anfang alles weg, was nicht unbedingt benötigt wird. Das spart viel Bastelarbeit, du kommst schneller zum Ausprobieren und bist flexibler was die Weiterentwicklung angeht. - Ideen kommen, man kann sie nicht abholen: Spiele erfinden habe ich immer mehr als Hürdenlauf wahrgenommen, denn als Sprint. Die ersten Meter sind meist einfach, aber dann kommen die Hürden. Mir hat es immer geholfen unterschiedliche Umgebungen für meine Kreativitätsphasen zu haben. Mal kommt die Lösung wenn ich allein durch den Wald renne, manchmal beim Autofahren (sorge dafür möglichst oft Beifahrer zu sein, da bist du weniger abgelenkt), mal vor dem Einschlafen, mal wenn ich vor dem Prototypen sitze – aber sie kommt, wenn man dran bleibt."
Vielen Dank für das interessante Interview und viel Glück bei der weiteren Entwicklung!
Tags