Jun 26: Leserwunsch #2 – Die Männerliste
Kaum hatte ich den ersten Artikel der neuen Artikelreihe „Leserwunsch“ gepostet, erreichte mich eine neue Anfrage. Ob ich nicht das Buch mit dem vielsagen Titel „Die Männerliste“ rezensieren könne? Klar kann ich das! Ich konnte zwar mit dem Titel erstmal nichts anfangen, kämpfte mich nach einer großen Überraschung (Ich bin Frischhaltefolie!) dann aber doch durch und kann sogleich diese Warnung aussprechen: Bei keiner anderen Rezension habe ich mich so bemüht, objektiv zu bleiben. Aber bei keiner anderen Rezension ist das, was ich schreibe, so subjektiv geschrieben.

OK, genug interpretiert, jetzt wird es Zeit für Fakten. Die Buchbeschreibung revidiert meinen ersten Eindruck wieder, es scheint sich also wohl doch um ganz normale weibliche Literatur zu handeln. Die Protagonistin des Buches, die Autorin selber, stellt die großen Fragen über das Singledasein:
„Wie viele Männer braucht eine Frau bis zum Glück? Gibt es nur einen Traummann oder mehrere? Reißen einem Männer wirklich absichtlich das Herz aus der Brust? Wie oft kann ein Herz brechen? Ist Single sein wirklich immer schlimm? Jessica ist jung und versucht genau diese Fragen mit Hilfe ihres Herzens und ihres Kopfes herauszufinden. Auf eine charmante und nicht unterzukriegende Art lernt sie Männer kennen und lieben.“
Zugegeben, ich bin jetzt schon ein wenig schlauer was meine Titelbildinterpretation angeht (Trennung von Herz/Triebe und Kopf/Wille) aber kann die Art dieses Buches noch immer nicht einordnen. Die Amazon-Kategorisierung bietet mir „Humor“ und „Ratgeber Liebe“ als Hilfen an. Also vielleicht ein humorvoller Ratgeber zum Thema Liebe? Naja, sowas zu lesen kann ja nie verkehrt sein, also durchforste ich mal „Die Männerliste“.
Sie beginnt mit einem Vorwort, in welchem kurz über das Singledaseins nachgedacht wird. Außerdem wird hier die Theorie eingeführt, dass jede Frau eine sogenannte Männerliste hat, daher eine Aufzählung von Männern „die ihr Herz berührt haben und den wahren Menschen hinter dieser Frau sehen durften […] sie kann kurz oder lang sein“. Naja, wir haben hier 220 Seiten, offensichtlich wird dieser Männerliste ein wenig umfangreicher

Die eigentliche Handlung beginnt im Oktober 2010. Jessica ist 20, laut eigener Aussage sehr hübsch, und ganz plötzlich Single. Verständlicherweise ist sie da erstmal ziemlich traurig, aber prinzipiell ist Jessica kein Kind von Traurigkeit und findet bald die ersten „Zärtlichkeiten“. Nun wäre das Buch hier schon zu Ende, aber natürlich will der Mann (der Schlingel

Die Handlung liest sich wie ein mit gelegentlichen theoretischen Überlegungen gespicktes Tagebuch. Nun kann solch ein Konzept ja prinzipiell hervorragend funktionieren, siehe der wohl passendste Vergleich „Bridget Jones“ (nebenbei mein Thema im Leistungskurs Englisch-Abitur, was nun nicht gerade für die Qualität des Sachsen-Anhaltinischen Abiturs steht



Der voyeuristische Lesespaß wird allerdings durch die Tatsache getrübt, dass dieses Buch unbedingt ein vernünftiges Lektorat benötigt hätte! Die Zeitformen wechseln abrupt, mehrere Sätze fangen mit dem gleichen Wort an, substantivierte Verben scheint es in der Provinz nicht zu geben und die Autorin liebt offensicht sogenannte Deppenleerzeichen (Link). Außerdem gibt es durchaus mal Wiederholungen und Umschweife, welche den Handlungsfortschritt ein wenig ausbremsen. Was mich aber wirklich gestört hat: Die rhetorischen Fragen! Also nicht falsch verstehen, ich liebe dieses Stilmittel, denn wer liebt es nicht?

Was mich auch ein wenig an der „Handlung“ gestört hat: Irgendwann kommt man durcheinander. Es schwirren so viele männliche Namen von Ex-Liebschaften herum, dass man schon angestrengt nachdenken muss. Ehrlich, in diesen drei Jahren war Jessica wirklich kein Kind von Traurigkeit auf ihrer Suche nach einer Beziehung. Irgendwann gegen Ende schreibt sie selber, dass es bei einem Fußballspiel jetzt wohl schon 10:0 für die Männer stehen würde. Ich habe mir die Mühe gemacht und mal nachgezählt und kann nun behaupten, sie hätte das Spiel fast doppelt so hoch verloren

OK, was bringt mir dieses Buch? Oder, da die meisten Leser meines Blogs höchstwahrscheinlich junge erwachsene Männer sind (wäre mal wieder Zeit für ne Leser-Feedback-Umfrage, oder?

Das Buch endet eigentlich, wie es angefangen hat: Jessica ist nach drei Jahren immer noch Single, dafür aber gereift. Sie will es auf sich zukommen lassen und nicht mehr unbedingt zwanghaft nach einem Freund suchen. Und damit hätten wir jetzt eigentlich einen schönen Schluss, der nun doch schon wieder ein wenig emanzipatorisch daherkommt… Aber halt! Nein, man kann den Leser doch nicht ohne Happyend entlassen! Irgendwie nachträglich dran montiert wirkt das letzte Kapitel, indem Jessica ihre neue große Liebe, ihren Seelenverwandten, das personifizierte Ende ihrer Männerliste beschreibt.
Wer dieses Happyend mag, soll nun nicht mehr weiterlesen

Christoph, so heißt der Glückliche am Ende des Buches, war nicht der erhoffte Heilsbringer. Woher ich das weiß? Jessica August ist ein Pseudonym, sie ist eine Bekannte von mir (und sie hat über ihr Aussehen im Buch nicht gemogelt, wirklich Bombe). Christoph heißt, wie alle anderen Personen im Buch auch, anders. Und ich, ich bin der Horst. Zumindest hoffe ich, dass ich der Horst geworden wäre (oder irgend ein anderer cooler Name), wenn ich es noch mit ins Buch geschafft hätte. Denn in der nun doch nicht abgeschlossenen Männerliste hab ich auch meinen Platz gefunden. Wenn ich mir so meine Listen-Kollegen anschaue, hätte es sicher für 3 – 4 Seiten gereicht

PS: Jessica weiß nicht, dass ich weiß dass sie sie ist und dass ich ihr Buch rezensiere. Und falls jemand sich fragt, mit welchem Gefühl ich diesen Text schrieb: Mit Dankbarkeit.