Aug 11: Shadowrun: Alter Ratio – Alte Freundschaft und noch ältere Datenleitungen
Die neuen deutschen „Shadowrun“-Romane haben bisher, so wie ich das in meinem rollenspielenden Umkreis wahrnehmen konnte, durchaus viel Lob erhalten. Beispielsweise auch „Alter Ego“ (Link) von Mike Krzywik-Groß, den ich auch selbst sehr positiv rezensiert habe. Mit „Alter Ratio“ hat der Lüneburger Autor nun eine (für sich alleinstehend lesbare) Fortsetzung geschrieben, welche mit der Abenteuerkampagne „Netzgewitter“ verzahnt ist und welche erneut Aggi und Dante ins anarchistische Berlin wirft. Na mal schauen, ob mir der Roman auch wieder so gut gefallen wird...
„Alter Ratio“ spielt einige Jahre nach „Alter Ego“ und setzt die Figurenentwicklung des ProtagonistInnen-Duos Aggi & Dante konsequent fort: Während der abgehalfterte, völlig ausgebrannte Privatschnüffler Paul Dante noch viel abgehalfteter und ausgebrannter ist, hat sich die neo-anarchistische Deckerin Aggi, beflügelt von einer neuen Liebe zur Ork-Scharfschützin Neeka, noch weiter radikalisiert. Im Prinzip macht sie jetzt nämlich das, wovon meine queerfeministische Shitstormtrooperin-Podcastpartnerin Elea (Link zur „Shadowrun“-Folge) immer nur träumt: Im wahrsten Sinne des Wortes zündet sie das Patriarchat an


Wie schon bei „Alter Ego“ macht Mike Krzywik-Groß wieder eine ganze Menge richtig: Er beschreibt, zumindest was das ProtagonistInnen-Trio Dante, Aggi und Neeka angeht, sehr interessante Figuren, welche durchaus glaubwürdig wirken. Klar, ein klein wenig hat sich das Klischee des abgehalfterten Detektivs, der in größter Not nochmal seinen Arsch zusammenkneift, doch schon abgenutzt, gerade weil Dante ja schon im ersten Band einen nahezu identischen Story-Arc hatte. Aber erneut schafft der Autor es fast schon mühelos, dass ich diesen abgeranzten Unsympathen doch wieder in mein Herz schließe – Genau wie es Aggi tut, deren emotionale Entfremdung von Dante mir im ersten Moment einen echten Stich versetzte. Doch letztlich raufen sie sich, und ich hoffe das ist jetzt kein zu großer Spoiler, irgendwie wieder zusammen und das hat mich einfach riesig gefreut. Denn die Chemie zwischen diesen beiden ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten ist einfach großartig. Gleichzeitig muss man aber anmerken, dass dieses Duo damit auch die anderen (Neben-)Figuren überstrahlt: Manche hab ich direkt wieder vergessen, bei anderen hätte ich mir einfach viel mehr Hintergrundinformationen gewünscht.
Im Vergleich zum ersten Band ist auch der eigentliche Hauptdarsteller ein wenig in den Hintergrund gerückt: Berlin! Ja, man merkt natürlich noch in jeder Zeile die Liebe des Autors zu diesem Schauplatz, aber man hat doch das Gefühl, dass „Alter Ratio“ mit dem Wissen geschrieben wurde, dass das Setting bereits etabliert ist. Abgesehen von der größeren emotionalen Fallhöhe der Aggi-Dante-Trennung ist dies der einzige Aspekt dieses Buches, bei dem die Kenntnis des Vorgängers den Lesenden einen „Vorteil“ bringt. Nichtsdestotrotz beschreibt Krzywik-Groß auch hier wieder sehr atmosphärisch seine „Shadowrun“-Lieblingsstadt – Der Kontrast fällt besonders auf, wenn eine andere Stadt (die ich aus Spoilergründen nicht nennen möchte, aber dort findet das große Finale statt) dann viel knapper abgehandelt wird. Wobei das große Finale eigentlich ein schönes Stichwort ist, denn dort wird es (wie schon zu Beginn und auch im Mittelteil und eigentlich ziemlich oft) wieder richtig bleihaltig. Und obschon dort ein richtiges Chaos herrscht, bleibt die Übersicht für die Lesenden doch stets gewahrt. Anders als bei einigen Dialogpassagen, bei denen man bei mehreren Sprechenden im ersten Moment nicht zuordnen kann, wer gerade was sagt. Aber letztlich sind das Kleinigkeiten, die den insgesamt wirklich guten Gesamteindruck nur minimal schmälern. „Alter Ratio“ ist ein guter Roman und man kann dem „Pegasus“-Verlag (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) nur gratulieren, dass er dem Autor eine „Alter Ego“-Fortsetzung ermöglichte.
Fazit: „Shadowrun: Alter Ratio“ (Link) bietet 352 Seiten bleihaltige Cyberpunk-Action, die sich dank Mikes flüssigem Schreibstil rasch wegliest

PS: Überraschend ähnlich ist die Endwertung bei meinem Blogger-Kollegen Würfelheld (Link)

Posted by Philipp Lohmann
in Literatur