Dec 26: Geständnisse - Genre-Mischmasch mit fragwürdigen Story-Entscheidungen


„Geständnisse“ startet mit einer überaus interessanten Prämisse, verläuft sich jedoch immer weiter in einem unausgegorenen Genre-Mischmasch. Und um den zu erklären, muss ich ab jetzt auf ein paar spätere Story-Twists eingehen, weshalb ihr hiermit eine offizielle Spoiler-Warnung erhaltet


Nach knapp über einem Drittel des 104 Seiten starken Taschenbüchleins, und hier kommt zum zweiten Mal eine Spoilerwarnung, wechselt die Geschichte dann plötzlich die Perspektive. Erzählt wird nun in aller Ausführlichkeit aus Sicht des Mörders. Das ist insofern schwer verdaulich, weil dem Täter hier in seiner Rechtfertigung so viel Raum eingeräumt wird, dass man fast von einer Täter-Opfer-Umkehr sprechen kann. Ich will hier keine Geschlechterdebatte aufmachen, aber ich möchte die wagemutige These in den Raum werfen, dass dieses Schlüsselereignis aus einer weiblichen Perspektive anders thematisiert worden wäre... Nun könnte man natürlich hineininterpretieren, dass der Autor ja verschiedene Genres vermischt und das daher ein Rape-&-Revenge-Element wäre – Was ein naheliegender Gedanke ist, da dies ja ein Subgenre des Exploitationsgenres ist. Und der Fokus auf Sex und Gewalt stellt ja tatsächlich ein Hauptmerkmal der „Geständnisse“-Handlung dar. Hier fehlt aber der feministische 3. Akt der Selbstermächtigung des Opfers, sodass dieser mit sexueller Gewalt einhergehende Femizid nur ein billiger Schockeffekt ist.
Dem nicht genug gleitet „Geständnisse“ im letzten Drittel dann ins Übernatürliche ab, gespickt mit Horror-Elementen. Das ist ein eigentlich interessanter Wendepunkt, der vorher auch vorbereitet wurde (wobei man viele der Andeutungen erst beim zweiten Lesedurchgang entdeckt), um die Geschichte zu einem dramatischen, actionreichen Finale zu führen. Dieses endet jedoch so abrupt, dass man das Gefühl bekommt, als würden einfach die letzten paar Seiten fehlen


Ich könnte mich jetzt noch mehr in Wut schreiben, jedoch gebe ich diesem Machwerk damit mehr Aufmerksamkeit, als es eigentlich verdient hat. Aber immerhin will ich den Zeichner Román López-Cabrera loben, der macht schon einen ordentlichen Job (auch wenn man sich, da schwarz-weiß, manchmal konzentrieren muss, wer hier wer ist), aber selbst die atmosphärischen Zeichnungen retten halt keine miese Geschichte... Man muss also schon ein großes Herz für Mystery-Krimis haben, um die 15 € zu investieren, die der „Zwerchfell Verlag“ (der mir mutigerweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) für das Taschenbüchlein haben möchte.
Fazit: „Geständnisse“ (Link) hat eine sehr spannende Ausgangslage und atmosphärische Zeichnungen, sehr fragwürdige Story-Entscheidungen ziehen den Gesamteindruck aber stark runter

Posted by Philipp Lohmann
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