Aug 5: Soth – Kleinstadt-Kult auf der Jagd



In „Soth“ verkörpern die Spielendenden die Mitglieder eines Kleinstadt-Kultes, welche einen dunklen Gott beschwören wollen. Das klappt aber nur, wenn sie vier Rituale korrekt durchführen, für welche sie jeweils unschuldige Opfer brauchen – Und die zu bekommen ist gar nicht mal so einfach, denn in so einem Dörfchen kennt ja Jede(r) Jede(n), sodass alsbald die ersten Verdächtigungen aufkeimen...

Der „Pro Indie“-Verlag scheut sich ja nicht davor, oftmals sehr ungewöhnliche Rollenspiele zu publizieren, welche auch gern mal abseits der üblichen Szene-Geschmäcker zu finden ist. Beispielsweise „Supers!“ (Interview, Link), denn wer kauft denn heutzutage noch Superhelden-Rollenspiele?


Das wohl größte Vorurteil, das ich gegenüber Erzählspielen hatte, war „Na das sind doch so regelleichte Blablabla-Spiele“. Mittlerweile weiß ich, dass oft das Gegenteil der Fall ist, und auch „Soth“ ist da keine Ausnahme. Denn wieder haben wir es hier mit einem „Brettspiel mit viel Blablabla drumherum“ zu tun, weshalb die 168 Seiten tatsächlich primär mit Regeln beziehungsweise Spielanweisungen gefüllt sind. Klassischen Settingkram gibt es kaum, da man sich sein Dorf bzw. seine Kleinstadt selbst erschafft, mitsamt der zukünftigen Opfer und der ermittelnden GegenspielerInnen. Das geht überraschend flott, ebenso wie die Erschaffung des eigenen Kult-Mitglieds, welches lediglich aus vier Schritten (Rolle innerhalb des Kults, Ruf & Beruf nebst familiären Beziehungen, gesellschaftliche Verpflichtung, Name) besteht. Gerade bei einer größeren Spielrunde mit 6 bis 7 Spielenden hat man dann schon quasi nebenbei ein kleines Dörfchen erschaffen, bei dem sich die Geschichte von ganz alleine erzählt


Und diese Geschichte startet nach dem ersten Ritual. Eines geschafft, aber damit muss man erstmal klarkommen (selbst fiese Kult-Mitglieder bringen ja nicht jeden Tag irgendwelche unschuldigen Opfer um); drei müssen noch irgendwie gemeistert werden. Und die werden teils immer komplizierter... Wie genau sie das schaffen wollen, können die Spielenden frei entscheiden. Sie sind sogar so frei, dass sie sich lieber gegenseitig hintergehen können, anstatt dass sie sich neue Opfer suchen

„Soth“ ist nahezu würfelfrei, stattdessen wird Punkt-Management betrieben. Gerade als Wächter kommt da durchaus das oben erwähnte Brettspiel-Feeling auf, wenn er den Aktionen der Kult-Mitgliedern jeweils heimlich Verdachtspunkte zuweist und diese dann dafür benutzt, um ermittelnde Statisten besondere Aktionen (z.B. unentdeckte Verfolgungen oder den Kultisten-Tempel von der Polizei stürmen zu lassen) ausführen zu lassen. Entsprechend agiert der Wächter auch bei vergleichenden Problen, etwa wenn ein Kultistin einen Ermittler angreift oder eine Kultist eine Leiche verschwinden lassen will. Es wird nicht etwa nach festen Werte gewürfelt, sondern anhand der Spielsituation (Wie kompetent ist eine Person? Hat die das Überraschungsmoment? Stehen ihr die passenden Ressourcen zur Verfügung etc.) wird vom Wächter der Ausgang entschieden... Für all diese Situationen bietet das Regelbuch entsprechende Vorgaben, entsprechend wenig willkürlich entscheidet der Wächter, aber das Spielgefühl ist schon anders als bei einem „klassischen“ Rollenspiel mit festen Würfel-Werten. Es fällt mir auch ein wenig schwer, diese Spielmechaniken sinnvoll zusammenfassen (denn ich glaube nicht, dass ich alles verstanden hab); weshalb ich interessierte Erzählspiel-Fans gern auf die „Soth“-Download-Sektion (Link) verweise, wo man mal die Spielhilfen durchstöbern kann.
Fazit: Zugegebenermaßen ist „Soth“ (Link) ja mal so überhaupt nicht meine Art des Rollenspiels, weder spielmechanisch noch thematisch. Nichtsdestotrotz muss ich diesem Okkultismus-Erzählspiel zugestehen, dass es eine gewisse Faszination ausstrahlt. Entsprechende Mitspielende vorausgesetzt, kann ich mir wirklich gut vorstellen, dass das ein spannender „interaktiver Film“ wäre.
Posted by Philipp Lohmann
in Rollenspiel