Oct 16: San Brega – Spaghetti-Western-Komplettpaket
Fantasy mag ja das populärste Rollenspiel-Genre in Deutschland sein und auch alle möglichen Spielwelten mit „…-punk“ im Namen erfreuen sich hier großer Beliebtheit. Aber immer wieder kommen auch Wildwest-Rollenspiele aus Deutschland auf den Markt: Bekannt dürfte sicher das kürzlich erschienene und ziemlich populäre „Old Slayerhand“ sein. Vielleicht kennt auch jemand noch das besonders für große Gruppen geeignete „One-trick Pony“-Mikromodul namens „Der Banküberfall“ (Link)? Komplettiert wird dieses deutsche WildWest-Trio nun durch „San Brega“, einem Rollenspiel-Komplettpaket welches sich explizit die Spaghetti-Western von Sergio Leone zum Vorbild nimmt.

In „San Brega“ geht es um San Brega


Die Regeln basieren auf einem simplen W20-System, gelegentlich werden zusätzlich sechsseitige Würfel benötigt. Ziel ist es, mit einem W20 einen mit Boni/Mali bestimmten Wert zu erreichen oder gar zu unterwürfeln. Je besser dies gelingt, umso erfolgreicher war die Probe. Kämpfe sind ein wenig komplizierter, denn hier gibt der aus (Gewandtheit + Intuition + Waffenwert) geteilt durch 3 zusammengesetzte Reflexwert an wie viele Aktionen eine Person durchführen kann. Dazu gehören dann nicht nur etwa Schießen und Fluchen (!), sondern auch das Ziehen der Waffe. Um zu treffen, muss man auch wieder einen Zielwert erreichen oder unterwürfeln, dieser setzt sich zusammen aus (Geschick + Wahrnehmung + jeweiliger Waffenwert) geteilt durch 3. Der Zielwert wird dann natürlich noch von verschiedenen anderen Faktoren wie Dunkelheit, Bewegung und gewünschter Trefferzone beeinflusst. Aber im Prinzip war es das auch schon an Regeln. An zwei oder drei Stellen benötigen die Regeln meiner Meinung nach ein wenig Tuning (z.B. bei Initiativ-Gleichstand zweier Spieler, denn "Der Spieler, der die Filme von Sergio Leone häufiger gesehen hat, darf beginnen." ist eher so mitteloptimal gelöst) oder Klarstellungen, aber im Prinzip funktioniert das System. Es ist halt teilweise sehr auf episch-filmisch-überhöhte Situationen ausgelegt, beispielsweise kann mit den entsprechenden Charakterwerten das Ziehen einer Waffe, Spannen, Zielen und Abfeuern schneller gehen als ein bloßer Faustschlag... Mit optimierten Charakteren ist dann sogar noch genug Zeit, ordentlich zu fluchen, eh der Gegner zum ersten Schlag ansetzt

Kämpfe sind dabei durchaus tödlich, schon ein ungünstiger Treffer kann theoretisch das Leben der Spielfigur auslöschen. Aber auch äußere Umstände wie große Hitze oder Durst können tödlich sein. Da sich die Trefferpunkte durch das Addieren der Lebenspunkte und der Willenskraft errechnen, sollte bei der Charaktererschaffung bei den acht Attributen und 34 Fertigkeiten ein wenig ge-min/max-ed werden

Das Regelwerk umfasst insgesamt 144 Seiten, davon entfallen lediglich 10 auf die Regeln. Auch die Charaktererstellung und –Entwicklung ist von der Seitenanzahl her relativ überschaubar. Dafür wird eine ganze Menge Hintergrundmaterial zur Ausgestaltung der Spielwelt präsentiert. Das fängt, wie oben genannt, schon mit der Geschichte der Besiedlung des fiktiven Kontinents und der verfügbaren Technologie an und geht bis hin zur Beschreibung beispielsweise der wichtigsten Städte mit ihren wichtigsten Orten (z.B. Bordell, Sherriff-Büro). Und natürlich, sonst wäre es kein richtiges WildWest-Spiel, gibt es auch Informationen zu Waffen und Whisky

Wer sich nun einen Charakter erstellt hat, kann ihn in zwei mitgelieferten Abenteuern ausprobieren. Die sind beide jetzt nicht großartig komplex vom Aufbau und der Dramaturgie her (kleiner Spoiler: Es dürfen eine Menge Kugeln verfeuert werden



Die 144 Seiten starke .pdf-Datei gibt es bisher nur im „13 Mann Verlag“-Onlineshop (Link) und kostet gerade mal 1,99 €. Für diesen wirklich sehr guten Preis gibt es ein vielleicht noch nicht 100%ig perfektes, aber schon funktionierendes und komplettes Rollenspielsystem mitsamt viel Hintergrundmaterial und zwei Beispielsabenteuern. Die Aufmachung ist dabei gut, zahlreiche (teils aber pixlige) historische Fotos und gut geschriebene, zweireihige Texte sorgen für passende Atmosphäre. Zugegeben, das Layout ist jetzt nicht der Oberhammer und es gibt ein paar inhaltliche und regeltechnische Unstimmigkeiten, aber hey für 1,99 € durchaus angemessen und immerhin ist das Inhaltsverzeichnis verlinkt.
Fazit: Ich mag ja eigentlich keine .pdf-Texte, sondern stehe auf totes Holz zwischen den Händen

Wink an den Verlag: Sollte man nochmal ein wenig Feintuning betreiben (besonders beim Layout und den Regeln) dann kauf ich es auch sehr gern als gedrucktes Buch!