May 17: Die Straßenkinder von Montmartre - Romantischer Ausflug ins Armutsviertel
Der „Splitter Verlag“ hat sich wieder mal was getraut: Eine Kurzgeschichte über Straßenkinder und Künstler, die 1905 in ärmlichen Verhältnissen vor den Toren der französischen Hauptstadt Paris leben, wurde als großformatiges Hardcover auf den deutschen Markt gebracht. Da stellen sich mir natürlich gleich zwei Fragen: „Wer soll sowas eigentlich lesen?“ und „Lohnt es sich denn zu lesen?“

Bevor ich diese beiden Fragen beantworte, erstmal die Frage „Worum geht es überhaupt?“



Die Geschichte ist in ihrem Verlauf durchaus vorhersehbar (ehrlich, wer hat nach der Hälfte meiner Inhaltsangabe noch nicht gewusst, dass die Kinder Freunde werden?), lediglich die Auflösung – also nicht ob, sondern wie die Kinderbande den Teich rettet – überrascht dann doch ein wenig. Auch die handelnden Figuren bleiben ziemlich blass: Jean ist der zarte, unverstandene Künstler, dessen Vater ein ebenso skrupelloser wie egoistischer Choleriker. Von den titelgebenden Straßenkindern erfährt man, außer dass sie arm sind und gewalttätige Elternhäuser haben, eigentlich gar nichts (was macht die ältere Manon eigentlich bei diesen Jungs?) und so bleiben diese Charaktere auch austauschbar. So fällt es auch zu Beginn recht schwer, echte Sympathie für diese Protagonisten zu empfinden, gerade wenn sie ihre „Geisel“ Jean massiv bedrohen oder gar gewalttätig werden. Dabei irritiert zudem die Positionierung des französischen Künstlers Patrick Prugne, der das Leben und das Verhalten dieser Kinderbande stark romantisiert und mich zu der Frage bringt, welche Botschaft diese Geschichte haben soll? Der Zweck heiligt die Mittel? Das Leben ist ein Kreislauf? Am Ende ist eh alles zwecklos?
Die Frage kann ich nicht beantworten, wohl aber die in der Einleitung gestellte Frage „Wer soll sowas eigentlich lesen?“



Die mit rund 50 Seiten recht kurze Geschichte wird zudem durch nochmal knapp 30 Seiten Skizzen und Notizen ergänzt. Dieses Bonusmaterial wertet den insgesamt 80seitigen Comic nochmal auf, der auch so schon durch die hervorragende Druckqualität (welche die Zeichnungen hervorragend zur Geltung bringt) des „Splitter Verlags“ (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) jeden Cent des 17,80 € teuren Hardcovers wert ist.

Fazit: In der Einleitung fragte ich „Lohnt es sich denn zu lesen?“ und ich kann die Frage mit einem „Ja, aber…“ beantworten. Ja, „Die Straßenkinder von Montmartre“ (Link) lohnt sich zu lesen, aber man muss sich bewusst sein dass sich der Lesegenuss primär aus der großartigen Malerei und Atmosphäre des Comics zieht. Die vorhersehbare Handlung mit ihren blassen Charakteren rückt hier in den Hintergrund. Freunden optisch ansprechender Comic-Kunst kann ich diesen atmosphärischen Ausflug ins Armutsviertel jedoch aufrichtig ans Herz legen!