Oct 5: Der Weg der Wachtel – Jugendwerk voller Herzblut

„Der Weg der Wachtel“ führt den Spieler zurück ins feudale Japan, in die Welt von Ninjas und Samurai... und Wachteln


Das Sammeln von Erfahrungspunkten, Ausrüstung und natürlich auch Gold nimmt die erste Hälfte des Spielbuches ein. Hierfür kann man sich in einer, für ein Spielbuch, sehr offenen Welt bewegen. Vier größere Städte sowie Nebenschauplätze wie eine Erzmine laden dazu ein, seine Charakterwerte und Ausrüstung über zahlreiche kleine Nebenquests (Botschaft überbringen, Vermissten suchen etc.) sowie klassisches Grinding (Erz abbauen, Tiere jagen) und Handel (z.B. mit illegalem Opium) zu verbessern. Schließlich kann man eine Karriere als Möch einschlagen, um Magie zu erlernen. Oder als Samurai glorreiche Schlachten schlagen. Oder als Ninja in tödlicher Mission herumschleichen. Jede dieser Karrieremöglichkeiten bietet nochmal einen eigenen Erzählstrang, bevor man sich dem großen Finale stellen muss. Hier wird die Geschichte dann auch merklich linearer – Trotz dessen hat man aufgrund der offenen Spielwelt und der unterschiedlichen Klassen natürlich einen enormen Wiederspielbarkeitswert, der im Spielbuchbereich in dieser Qualität nicht oft zu finden ist.

Die Regeln sind mit 18 Seiten recht komplex geraten, wobei man gerade den umfangreichen Magieteil am Anfang jedoch ignorieren kann, sodass man doch rasch ins Spiel hineinfindet. Die Kämpfe funktionieren mit einfachen W6-Proben plus Ausrüstung plus Modifikator (z.B. Spezialfähigkeiten), bei denen man den jeweiligen Angriffswert mit dem jeweiligen Verteidigungswert vergleicht. Die Differenz wird dann als als Schaden von den Lebenspunkten abgezogen. Vor jedem Nahkampf kann man zudem versuchen, einen oder mehrere Fernkampfangriffe durchzuführen, auch hier wird wieder mit einer einfachen W6-Probe gewürfelt. Die gut beschriebenen Regeln ermöglichen zudem die Heilung im Kampf, eine Flucht und auch den Kampf mit mehreren Gegnern oder Verbündeten. Wer sie beherrscht, darf im Kampf auch Magie wirken. Neun verschiedene Zauber stehen zur Auswahl, die jeweils nur einmal erfolgreich je Kampf genutzt werden dürfen. Insgesamt ein recht schlankes, eingängiges Würfelsystem, dass man nach ein paar Versuchen intus hat.

„Der Weg der Wachtel“ zeichnet sich durch vielerlei Qualitäten aus: Großer Umfang, offene Spielwelt, hoher Wiederspielbarkeitswert, gut funktionierendes Regelsystem, interessante Spielwelt, atmosphärische Texte und nicht zuletzt großartige Zeichnungen. Einige wenige Kritikpunkte sollen jedoch nicht unerwähnt bleiben: Etwa teilweise ein zu hoher Zufallsfaktor, ein etwas harter Abschnittsübergang oder Entscheidungen, bei denen ich keinen Anhaltspunkt habe welche sinnvoller wäre. Das Layout ist, trotz zahlreicher toller Zeichnungen, irgendwie recht nüchtern. Auch wird der knackige Schwierigkeitsgrad mitunter schneller zum Tod führen, als man dem süßen Wachtel-Szenario zutraut

Fazit: „Der Weg der Wachtel“ (Link) ist vielleicht nicht perfekt, aber definitiv sehr gut und voller Herzblut. Ich bin wirklich beeindruckt, was für eine Qualität und Quantität der zum Zeitpunkt der Entstehung jugendliche Autor Simon Wiese da geschaffen hat. Nicht vergessen möchte auch Zeichner David Staege, der das anthropomorphe Feudal-Japan gekonnt in Szene setzt. Meinen allergrößten Respekt und eine klare Kauf- beziehungsweise Downloadempfehlung (Link) an alle Leser da draußen!
Posted by Philipp Lohmann
in Solo-Spielbuch