Sep 23: Oscuridad: Absturz ins Ungewisse – "Contact"-Bruchpiloten gegen den Weltuntergang


Ich als großer Fan von „Contact – Das taktische UFO-Rollenspiel“ konnte es natürlich gar nicht abwarten, den Roman endlich in den Händen zu halten. Denn jetzt, wo es mit der Veröffentlichung des überarbeiteten Grundregelwerks leider sehr ruhig um diese außergewöhnliche Rollenspielreihe wurde, wird die offizielle Zeitlinie wohl nur noch in Romanform fortgesetzt. Aber zugegeben, wie man auch in der „Contact“-Folge unseres Podcasts (Link) nachhören kann, war ich nach den ersten Informationen zum Roman eher skeptisch. Zu generisch klang der Klappentext, der eher die viel zu umfangreiche Verschriftlichung eines 80er Jahre B-Movies versprach anstatt einer spannenden Kanon-Fortsetzung der vielschichtigen „Contact“-Dystopie – Und meine Skepsis war, zumindest teilweise, berechtigt...

Ecuador im Jahr 2054: Irgendetwas ist passiert, aber niemand weiß was genau. Erst gab es eine riesige Explosion, dann physikalisch unerklärbare Anomalien, zuletzt zettelt auch noch der Wachschutz eines chinesischen Investors einen Bürgerkrieg in dem südamerikanischen Land an. Chaotische Zustände, die der eigensinnige US-Kampfpilot Jason Blackthorne bei einem streng geheimen Erkundungsflug aufklären soll. Aber es kommt, wie es kommen muss: Eine dieser Anomalien erfasst sein Flugzeug, dann stößt er auch noch mit einem vermeintlichen UFO zusammen, schließlich rettet ihn nur noch der automatische Schleudersitz... Gestrandet in der von Anomalien und Außerirdischen heimgesuchten Todeszone von La Oscuridad, muss er ums Überleben kämpfen und dabei auch noch eine (natürlich

Der fast 650 Seiten dicke Roman teilt sich grob in drei erzählerische Abschnitte ein: Zuerst natürlich die wirklich gut gelungene Etablierung des erzählerischen Rahmens und der Erzählstränge sowie wie die Vorstellung der Hauptfigur Jason. Dafür lässt sich Autor Eric Nowack überraschend lange Zeit, was keine schlechte Strategie ist, machen die vielen Andeutungen doch richtig Lust auf den ersten Kontakt mit den Außerirdischen. Der zweite erzählerische Abschnitt umfasst dann den lang ersehnten ersten Kontakt (Zusammenstoß mit dem vermeintlichen UFO, dann das Kennenlernen von Naomi) und das darauf folgende, gemeinsame Überleben in der Todeszone. Hier lässt sich der Autor noch viel mehr Zeit, um der unfreiwilligen Schicksalsgemeinschaft (die sich zusammenrauft und dann irgendwann auf bis zu vier Figuren anschwillt) das Leben mit immer neuen, immer abgedrehteren Anomalien und den Angriffen „echter“ Aliens schwer zu machen. Im dritten erzählerischen Abschnitt folgt das große, dramatische Finale, in dem die verschiedenen Handlungsstränge zusammenlaufen und das Schicksal der Welt entschieden wird.
„Oscuridad: Absturz ins Ungewisse“ ist immer dann stark, wenn die Geschichte mal wirklich voran schreitet. Also primär im ersten und auch noch oft im dritten Abschnitt. Umgekehrt ist sie immer dann schwach, wenn sie sich primär um die beiden Hauptfiguren dreht. Denn diese sind der ganz große Schwachpunkt dieses Romans: Jason ist einfach unsympathisch. Also so richtig unsympathisch. So unsympathisch, dass ich mir ja insgeheim gewünscht hätte, er wäre beim Absturz verstorben. Ist er aber leider nicht, was immerhin dazu führt, dass sich sein zwar mit einer dunklen Vorgeschichte ausgestatteter, aber trotzdessen ungemein flacher Charakter mit der Holzhammermethode weiterentwickelt (“Oh, da ist ein Kind! Jetzt plötzlich kommt es mir, dass ich doch auch gern Kinder hätte!“). Sein Gegenpart entspricht der literarischen Figur eines Manic Pixie Dream Girls, nur halt in der Variante einer ironiebefreiten Killermaschine. Das muss ja nicht schlecht sein, denn es gibt viele gute Romane und Filme, bei denen diese literarische Figur äußerst unterhaltsam verwendet wird. Hier aber stimmt die Chemie zwischen den beiden ProtagonistInnen einfach überhaupt nicht



Wo die Hauptfiguren also blass und langweilig bleiben, spielen die Nebenfiguren ihre ganze Stärke aus. Obschon etwa der ambivalente Max Byron sowie die Jungagentin Anza viel, viel weniger Seiten bekommen, interessiert man sich doch wesentlich mehr für ihr Schicksal. Im Prinzip sind alle Szenen, in denen es irgendwie um OMEGA geht, einfach mal wesentlich interessanter als zwei umherirrende Bruchpiloten im Dschungel... Aber hier spricht vermutlich der „Contact“-Fanboy aus mir



Fazit: Ja, „Oscuridad: Absturz ins Ungewisse“ (Link) ist genau das, was wir im Podcast befürchtet haben: Eine ziemlich umfangreiche Verschriftlichung eines 80er Jahre B-Movies. Aber das muss kein Makel sein, wenn man eine spannende Geschichte zu erzählen hat

Posted by Philipp Lohmann
in Literatur