Der Autor Swen Harder ist vermutlich jedem Leser dieses Blogs ein Begriff - Allein deshalb, weil ich ihn schon einmal im Interview hatte ;-) Seitdem ist jedenfalls schon Zeit vergangen und der umtriebige Autor des größten Spielbuchs aller Zeiten hat wieder neue Projekte am Start. Das musikalische Comedy-Mystery-Spielbuch "Metal Heroes - and the Fate of Rock" ist kürzlich erschienen, die Kritiker überschlugen sich mit Lob (ich auch). Auch die englische Version von "Reiter der schwarzen Sonne" namens "Rider of the Black Sun" kam sehr gut an. Da hat mich natürlich interessiert, wo Swen seine Kreativität herholt und was er für die Zukunft plant - Heraus kam ein überaus launiges Interview, welches mindestens so unterhaltsam ist wie seine Spielbücher ;-) Hallo Swen. Ich glaube, Dich muss ich jetzt nicht vorstellen und die Leser wissen auch schon, wie du zum Autor wurdest, daher starte ich mit einer anderen Frage: Die SPIEL ist vorbei, Du warst als Autor und Standhelfer vor Ort. Wie liefs?
"Hervorragend. Meine beiden Bücher „Reiter der schwarzen Sonne” und „Metal Heroes – and the Fate of Rock” waren bereits frühzeitig abverkauft. Am Sonntag durfte ich mich dann komplett auf die über mich hereinbrechende Erkältung konzentrieren. Ein schönes Erlebnis, durch und durch."
Na da wünsche ich Dir erstmal gute Besserung :-) Mitleid hab ich trotzdem nicht, sondern frage einfach weiter: Besonders neugierig bin ich ja, wie die englische Version von "Reiter der Schwarzen Sonne" auf der SPIEL ankam?
"Recht gut. Wenn man bedenkt, dass wir dafür eigentlich keine Werbung machten und der Kunde schon genau hinschauen musste, um zu erkennen, dass wir dieses einzige englische Buch am Stand hatten. Für uns war es erst mal ein Testballon mit dem wir ebenso bei internationalen Verlagen vorstellig werden konnten, um Lizenzdeals auszuhandeln."
Und natürlich die Folgefrage: Wie kam es denn dazu und was soll das eigentlich? ;-)
"Nun, "Reiter der schwarzen Sonne" ist eines unser erfolgreichstes Spielbücher und was wären wir für Unmenschen, sollten wir solch ein Qualitätsprodukt dem ausländischen Markt vorenthalten wollen. Wir tragen eben auch ein stückweit internationale Verantwortung."
Kommen wir nun zu Deinem aktuellen Spielbuch "Metal Heroes – and the Fate of Rock". Für die wenigen Leser, die unter einem Stein gelebt haben: Worum geht es überhaupt?
"Man verkörpert Taylor, einen Vollblutrocker und Volltrottel, der ein bemitleidenswertes Großstadtleben in Los Angeles fristet. Eines Tages jedoch, wird es von einem älteren Herren angesprochen, der sich als amtierender Rock-Gott zu erkennen gibt und Taylor die einmalige Chance unterbreitet, sein Nachfolger werden zu dürfen. Dazu muss Taylor jedoch seine Olymptauglichkeit unter Beweis stellen, indem er eine schäbige Garagenband zum größten Metal-Act des Planeten aufbaut."
Und wie kommt man eigentlich auf so eine Idee? Gab es irgendetwas in diese Richtung überhaupt schon mal? Und warum Rock/Metal und kein HipHop? :-P
"Zur ersten Frage: Viel nachdenken. Zur zweiten: In gedruckter Form sicher noch nicht. Die dritte Frage verstehe ich rein inhaltlich nicht. Ich versuchs dennoch: Der Rock steht mir sehr nah und seine Fans finde ich per se sympathisch. Außerdem... Dir ist sicher bereits aufgefallen, bei Deinen zahllosen Messe- und Con-Besuchen, wie viele Kuttenträger dort durch die Hallen streifen, oder?"
Gehen wir näher auf die Spielmechanik ein: Wie funktioniert das Management einer Band? Und was musstest Du von der Probenmechanik anders entwickeln, als Du es beispielsweise bei einem stereotypen Fantasy-Spielbuch gemacht hättest?
"Das ist ja mal wieder typisch! Erst den Interview-Partner mit samtweichen Startfragen einlullen und dann die Frage nach den hammerkomplexen Gameplay-Mechanismen raushauen. Also schön... Im Prinzip unterscheiden sich Werte und Mechanismen nicht wirklich von klassischen Fantasy-Werken. Nur die Darstellung und Handhabung ist freilich angepasst. So gibt es „Einfluss”-Punkte für den Spieler um als angehender Rock-Gott seine übermenschlichen Kräfte einzusetzen oder beispielsweise einen „Skill”-Wert für die Musiker der Band und eben nicht „Kampfstärke” und „Lebenspunkte”. Zudem wird bei "Metal Heroes" komplett auf Kämpfen verzichtet. Die Herausforderung in diesem Spielbuch lautet: „Gigs”. Es muss der Band (dank deiner tatkräftigen Unterstützung) gelingen, ihre Fans mittels guter Performance und einer clever ausgewählten Setlist zu begeistern. Das ausklügeln dieser Gigs war das kniffligste an der ganzen Regel-Entwicklung und war über die drei Jahre der Entstehung ständigen Anpassungen und Änderungen unterworfen."
Die beiliegende Soundtrack-CD ist ja mehr als nur ein simples Gimmick. Welchen Zweck erfüllt sie? Und magst Du uns die wechselhafte Geschichte dahinter erzählen?
"Sie erfüllt mehrere Zwecke. Selbstverständlich ist sie zunächst eine Möglichkeit für die darauf enthaltenen Bands, ihre Musik den Spielbuchlesern zu Gehör zu bringen. Dann verlangt sie indirekt vom Leser, sich mit den Tracks zu beschäftigen. Während der Geschichte kommt es nämlich immer wieder zu Momenten, bei denen man sich einen bestimmten Song anhören und zu ihm eine Frage beantworten muss. Achso, die wechselhafte Geschichte dahinter wolltest du noch hören: Als ich eines Tages die Idee hatte, einen Silberling meinem Buch beizulegen, war dieser zunächst so konzipiert, dass Nachwuchsbands ihre Songs darauf zum besten geben können. Also suchte ich nach unbekannten Talenten. Was auch recht gut klappte. Schnell hatte ich einige interessante Kandidaten zusammen. Doch dann, etliche Monde später, erkannte ich im fernen Nebel, jenseits der Veröffentlichungsgrenze, die monströse Silhouette eines nahezu unbezwingbaren Gegners: der GEMA! Dieses unbeugsame Mischwesen verlangte von mir für jeden meiner Weggefährten Gebühren, sollte ich meinen Weg fortsetzen wollen - ansonsten müsse ich sie zurücklassen. Die Musiker wiederum wollten dann plötzlich Verträge, die belegten, dass sie ihre Leben in die schützenden Klauen des Monstrums gelegt haben... Das überstieg meine Möglichkeiten als kleiner Autoren-Abenteurer. So kehrte ich um, wand ich mich an einen erfahrenen Recken: das Label "Napalm Records". Das Problem mit der GEMA wurde aus der Welt geschafft und alle lebten glücklich und zufrieden bis zur nächsten digitalen Revolution."
Wieder gibt es auch eine Special-Edition. Was steckt da alles drin?
"Also im Schuber stecken das Buch mit Soundtrack, zwei spezielle W6-Würfel (einen Metal-Heroes- und den Fuck-off-Würfel) sowie ein exklusives Pokerblatt, das eigens für das Buch designt wurde. Was soll ich sagen? Das Teil wird immer wieder gerne genommen. Entsprechend sollte man sich beeilen. Da diese Special Edition auf 300 Stück limitiert ist, rechne ich damit, das die kleinen Babys spätestens zu Weihnachten vergriffen sein werden. Und mal ganz ehrlich: Was gibt’s besseres, als ein wenig „Sex, Drugs and Rock'n'Roll” unter der Tanne."
Wenn ich mir meine Rezension so anschaue, aber auch wenn ich das Feedback anderer Blogs lese, das war ja einstimmig positiv. Gab es überhaupt negative Reaktionen? Und was würdest Du heute anders machen?
"Das stimmt. "Metal Heroes" wurde von den Bloggern und Rezensenten teilweise richtig abgefeiert. Das ist der Wahnsinn! Besonders glücklich bin ich allerdings über die Meinungen, dass auch Spielbuchleser, die eigentlich nichts mit Metal- oder Rock-Musik am Hut haben, ihren Spaß haben werden. Schließlich nehme ich die Szene als Ganzes gehörig auf die Schippe. Wahrscheinlich würde ich die Akquisition des Soundtracks von Tag 1 an in professionelle Hände legen. Hätte ich von Anfang an Napalm an Bord gehabt, wäre das Projekt sicher knapp ein Jahr früher fertig gewesen."
Solch ein Spielbuch ist natürlich prädestiniert dafür eine breitere Leserschaft abseits der Nerd-Szene anzusprechen. Gab es auch Kunden und (Kunden-)Feedback beispielsweise aus der Rock- und Metal-Szene?
"Viele Kunden auf Messen – vielleicht rund die Hälfte – sind tatsächlich keine Spielbuchleser, sondern finden das Thema lustig und wollen es mal ausprobieren. Auch da war das Feedback bislang durchweg positiv. Also: Mission erfüllt."
Ein letztes Mal will ich das Thema umschwenken: Ich hatte auf der MantiCon die Gelegenheit, mit Dir "RPG2go!" anzutesten. Kannst Du dieses Universalsystem kurz vorstellen?
"Nein, dazu ist es noch zu früh. Es ist so simpel gestrickt, dass wenige Einzelheiten entweder das halbe System verraten würden, oder wenn falsch verstanden, eine fehlgeleitete Vorabmeinung entstehen lassen könnte. Nur so viel: Ich versuche mit meinem System zu beweisen, dass die „Simplizität” der Regeln durchaus mit einem gewissen Anspruch vereinbar ist. Es hat natürlich zahlreiche weitere Aspekte, aber, wie gesagt, dazu ist es noch zu früh."
Das akzeptiere ich, aber trotzdem bohre ich nochmal nach: Wann und in welchem Umfang kommt es auf den Markt? Und wird es wieder beim "Mantikore Verlag" erscheinen?
"Wir arbeiten jetzt mit mehr Verlags-Kapazitäten daran. Einen Termin zu nennen, wäre jedoch unseriös. Natürlich haben wir unseren Plan, der hängt aber von vielen Faktoren ab. Wir suchen übrigens noch nach Leuten, die eventuell eine nette Welt oder Szenarios – dabei spielt das Genre keine Rolle – in der Schublade bzw. ihren Gehirnwindungen versteckt halten. Wichtig: Wir wollen keine 400-Seiten-Hardcover auf den Markt werfen, sondern einsteigerfreundliche Bände. Wer sich knapp halten kann, ist bei uns klar im Vorteil! Also, meldet euch beim "Mantikore-Verlag" (Link) – vielleicht wird eure Rollenspiel-Vision ein Teil unseres neuen Systems."
Abseits von "RPG2go!", an welchen Projekten arbeitest Du derzeit noch? Und bei Dir muss ich das fragen: Mit welchen neuen, innovativen Spielmechaniken wirst Du mich erneut verzücken?
"Ich arbeitete derzeit an einer Spielbuch-Miniserie im feudalen Japan. Natürlich wieder mit einem gehörigen Fatasy-Einschlag. Zugegeben, genre-mäßig nichts Neues, aber mit vielen neuen Gameplay-Ideen und einem komplett neuartigen Kampfsystem, das versucht, das Flair von Martial-Arts-Filmen einzufangen und dabei komplett auf Würfel verzichtet. Ich bin auch schon sehr gespannt, auf welche Reise mich dieses Projekt führt."
Ich frage voller Neid: Woher nimmst Du eigentlich die ganze Kraft und Kreativität?
"Diese wichtige Geheimzutat gibt's immer montags bei Aldi in der Kühltheke im praktischen 6er-Pack. Mein Tipp: Steht früh auf! Das Zeug ist meistens schnell weg."
Eigentlich beende ich diese Interviews immer mit "Hast Du Tipps & Tricks für Nachwuchsautoren?". Da wir das aber schon beim letzten Mal hatten, frage ich lieber: Auf welchen Veranstaltungen können die Leser Dich demnächst antreffen?
"Womöglich auf der HallunkenCon (Link) in Halle am 30. Oktober zur Preisverleihung des Leserpreises "GOLDENER STEPHAN" (ich hoffe das meine Erkältung und Fieber sich bis dahin gelegt haben und ich tatsächlich einen Grund haben werde, vorbeizuschauen...) Eventuell auf der Dreieich-Con (Link) im November und für 2017 sind auf jeden wieder die „großen 3” RPC, MantiCon (Link) und SPIEL fest eingeplant."
Swen, ich danke Dir für das überaus launige Interview und verweise im Zuge dessen nochmal gern auf Deine Homepage (Link), von der ich die Bilder geklaut hab :-P
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