Ich teile ja gern mal ironische Seitenhiebe gegen das „Splitternackt“-Imprint des „Splitter Verlags“ aus. Denn auch wenn ich den sympathischen Bielefeldern ihre Verkaufserfolge gönne, driften deren Erotikcomics doch viel zu oft in belanglose oder gar fragwürdige Pornografie ab. So war das auch schon bei der Verschwörungskrimi-Trilogie „Die Geheimnisse des Maison Fleury“ (Link), wobei ich da dem Autoren & Zeichner Gabriele Di Caro zugestehen musste, dass er seine Geschichten immer sehr ambitioniert angeht – Auch wenn damals ein ziemlich wilder Genre-Mix herauskam, dessen ungewolltes Highlight es war, dass eine Hauptfigur darüber referiert, dass die Erotik-Trilogie lediglich simple Pornografie bietet...
 

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Aber Ambitionen müssen belohnt werden, darum hat mir der „Splitter Verlag“ dankenswerterweise den Auftaktband des „Die süßeste aller Früchte“-Zweiteilers zukommen lassen. Und ja, Di Caro stopft hier wieder alle möglichen ernsten Themen auf 64 Seiten voller notgeiler Hauptfiguren. Mal schauen, ob wir uns da zurechtfinden: Sweetville ist so eine typische US-amerikanische Kleinstadt, deren Bevölkerung sich langsam von den Ereignissen des 2. Weltkriegs erholt. Der Jagdpilot Gary beispielsweise kämpft hart mit einer posttraumatischen Belastungsstörung und mit seinem Vater, der ihn direkt in den nächsten Krieg schicken will. Zugleich ist er aber auch ein Lokalheld, besonders bei der nymphomanischen Imbissbedienung Linda. Auf diese wiederum ist die Hausfrau Nancy eifersüchtig, obwohl sie zugleich selbst mit einem alkoholkranken Künstler fremdgeht, nur um dann auf dessen neue Putzfrau eifersüchtig zu sein. Und es gibt noch viel mehr Begehrlichkeiten, aber das sind eigentlich alles Nebenschauplätze, denn eigentlich geht es um die titelgebenden supersüßen Früchte. Denn eine Rivalität zweier alter Bauern (die mal in einem Liebesdreieck gefangen waren) sorgt für das jährliche Kleinstadt-Highlight, in dem das leckerste Obst prämiert wird. Ronald verliert hier häufiger, aber eines Nachts erscheint ihm eine nackte Frau (Alien? Geist? Keine Ahnung!), deren Urin (oder sie hat gesquirtet... wieder alles sehr pornografisch bei Di Caro) den Obstbaum zu neuen Höchstleistungen bringt. Dessen süßen Früchte verwandeln sich allerdings in bildschöne und natürlich wieder nackige Frauen, die aber nur süß bleiben, wenn sie erst nach sieben Tagen ausprobiert werden. Und dann dreht sich die ganze Geschichte darum, dass verschiedene Personen immer mal wieder versuchen, vorher von diesen Früchten zu kosten... Über all diese seltsamen Dinge soll ein von der Mafia gejagter Reporter berichten, doch dessen Prioritäten verschieben sich rasch in Richtung einer vermögenden Dame, die so alleinstehend ist, dass sie (so wie irgendwie alle Frauen hier) unmittelbar nach der Penetration direkt die besten Orgasmen ihres Lebens hat...
 

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Ich denke ihr merkt es schon bei meiner Zusammenfassung des Inhalts: „Die süßeste aller Früchte“ ist mal wieder ganz großer Quatsch, bei dem all die ernsten Themen (PTSD, Rassismus, Mafia, Eifersucht, unerfüllte Liebe, Verluste, Alien-Entführung (?) und noch viel mehr) nur kurze Zwischentöne sind, um verschiedenste Figuren dazu zu bringen, miteinander und auch mal für sich alleine sexuelle Erfahrungen zu haben. Ja, da kann man genervt mit den Augen rollen, aber man muss Gabriele Di Caro doch zugestehen, dass er hier sehr viel ambitionierter zu Werke geht als viele seiner „Splitternackt“-Kollegen (hatten wir bei diesem Imprint oder generell diesem Genre eigentlich mal Nicht-Cis-Männer? Also außer vielleicht Mirka Andolfo, wobei deren Comics glaube ich nicht als „Splitternackt“ gelabelt wurden), denn hier gibt es wenigstens den Versuch einer komplexen Geschichte. Also klar, die ist wieder ziemlich wild und jenseits von Gut und Böse (squirtende Aliens als Premium-Dünger), aber er versucht halt wenigstens nicht nur plumpe Pornografie zu Papier zu bringen. Außerdem gibt es Pluspunkte für den Zeichenstil, der ist wirklich gelungen und fängt die Atmosphäre der 50er Jahre gut ein. Da verzeiht man Di Caro auch ein paar inhaltliche & chronologische Ungereimtheiten – Oder vielleicht war das auch Absicht und hinter den Sexszenen versteckt sich ein tiefgründiger Zeitreise-/Zeitlinien-Plot? Denn so offensichtlich, wie hier scheinbar gleichzeitig verschiedene Jahreszahlen stattfinden, könnte das wirklich alles einfach nur ein sehr ambitionierter (und bisher hinter all dem Sex verborgener) Plot-Twist eines Autors sein, der vermutlich erst mit einem Nicht-Erotikcomic sein volles erzählerisches Potential ausschöpfen würde.
 

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Fazit: „Die süßeste aller Früchte #1“ (Link) ist ein noch wilderer Mix als „Die Geheimnisse des Maison Fleury“, bei dem erst der Abschlussband zeigen wird, ob Gabriele Di Caro sich mit seinen ambitionierten Ideen nicht überhoben hat. Unabhängig davon gehört dieser Zweiteiler aber zu den vielversprechendsten „Splitternackt“-Reihen. 

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