Horror ist nicht so meins. Zeitreisen auch nicht. Aber wie schon so oft (Link) haben es die Kreativen des Kulturvereins „Deutsche Lovecraft Gesellschaft e.V.“ mal wieder geschafft, mir ein Abenteuer unterzujubeln, welches mich ehrfurchtsvoll frohlocken lies... War das jetzt ein Spoiler? Wohl eher nicht, das war nur Meta-Wissen, denn genau darum geht es in der „Ebenholz“-Kampagne, deren zweites, gleichnamiges Abenteuer in wenigen Tagen erscheinen wird.
 

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Dankenswerterweise durfte ich den 60 Seiten dicken Trilogie-Mittelteil bereits lesen, weshalb ich mich auch sogleich selbst korrigiere: Trilogie-Mittelteil ist gar nicht so wirklich wahr, denn alle drei der jeweils in sich abgeschlossenen Abenteuer kann man in beliebiger Reihenfolge spielen. Chronologisch müsste beispielsweise der Auftaktband „Block B“ erst nach „Ebenholz“ gespielt werden, aber vorteilhaft ist sicher die Publikationsreihenfolge, weil das Meta-Wissen der Spielenden auch den Reiz der Kampagne ausmacht. Aber gehen wir mal der Reihe nach vor, damit hier nicht zu viel Verwirrung herrscht – Was bei Zeitreise-Themen ja nicht ungewöhnlich ist ;-)
 

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„Ebenholz“ beginnt in Prag des Jahres 1923. Vier vorgefertigte Charaktere (gern auch mit einem dunklen Geheimnis, immerhin sind wir hier immer noch beim Horror-Rollenspiel „FHTAGN“) entdecken auf einem Wanderausflug die titelgebende Ebenholzschatulle, welche eine mysteriöse Botschaft enthält, die explizit an die Charaktere gerichtet ist. Aber wie kann das sein, diese Schatulle ist doch schon viele hundert Jahre alt? Auch ein verschollenes Dorf wird erwähnt, sodass sich die Spielenden in der ersten Hälfte des Abenteuers in klassischer „FHTAGN“-Manier durch die Gegend recherchieren, bis sie schließlich am Ort des Geschehens mit dem zentralen Plot-Point konfrontiert werden: Zeitschleifen! Zack, einmal nicht aufgepasst, schon befindet man sich im Jahr 1403 wieder, um der Auslösung eines tödlichen Fluchs beizuwohnen (oder ihn gar selbst auszulösen) und um sich dann zu überlegen, wie man das in der fernen Zukunft doch noch verhindern kann...
 

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Ohne jetzt die beiden anderen Abenteuer gelesen zu haben (wie auch, der Abschluss „Goliath“ kommt erst Ende des Jahres), würde ich fast vermuten, dass „Ebenholz“ der für die Kampagne wichtigste Band der Trilogie ist. Denn hier erfährt man was es eigentlich mit dieser mysteriösen Ebenholzschatulle und dem damit verbundenen Alten Mann bzw. dem Haarigen Wesen auf sich hat. Aber auch losgelöst von der Kampagne funktioniert dieses Abenteuer als OneShot (sogar optional mit mehreren Gruppen) ganz wunderbar. Dabei muss man man sich aber bewusst sein, dass „Ebenholz“ stark von seiner Atmosphäre und eben dem Meta-Wissen-Grusel (ich weiß Dinge, die mein Charakter nicht weiß) lebt. Denn eigentlich ist die Geschichte hier ziemlich linear: Schatulle finden, Botschaft entschlüsseln und danach recherchieren, Zeitreise, ein wenig Mittelalter-Sozialspiel, brutales Abgeschlachte, Zeitschleifen-Epilog. Aber das ist eben auch auch mega unterhaltsam, wie ein richtig guter Gruselfilm, der seinen Horror nach und nach langsam aufbaut. Ein weiterer Vorteil ist auch, dass man durch diese Linearität sowie die wie immer guten Handouts auch als mittelmäßig begabte Spielleitung (also so ungefähr mein Niveau) hier relativ problemlos durchkommt, solange man sich intensiv genug mit den gut geschriebenen und auch gut gelayouteten Texten beschäftigt hat.
 

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Generell muss ich das Layout, das Lektorat und auch vor allem die Gesamtpräsentation ausdrücklich loben. Was die „Deutsche Lovecraft Gesellschaft e.V.“ (die mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) hier fabriziert hat, muss sich keinesfalls hinter den Produkten von etablierten Rollenspielverlagen verstecken. „Ebenholz“ (Link) ist, und das darf man vorab schon mal als Fazit verstehen, einfach toll und voller Herzblut! Zwar sind mir beim Lesen einige winzige Fehlerchen aufgefallen (z.B. soll laut Text die Person mit 10% Psychologie eine Psychotherapie durchführen, gemeint war sicherlich die Person mit 60%) und an manchen Stellen erwartet das Abenteuer offensichtlich dass erfahrenere Spielleitungen von sich aus improvisieren. Aber diese Kleinigkeiten stören am Ende kaum, vor allem nicht die Spielenden, die hier zwei bis vier wirklich coole Spieleabende haben werden. Und mich als Spielleitung haben sie auch nicht gestört, ich hab stattdessen jetzt richtig Bock auf die ganze Kampagne!