Dass es in Rollenspielen nicht immer nur um Verliese, Drachen und schwarze Augen gehen muss, dürfte den meisten Fans dieses Blogs durchaus bekannt sein. Nein, man kann sogar einfach mal wieder zur Schule gehen. Das zeigte zuletzt schon eindrucksvoll „Fräulein Bernburgs Pensionat für junge Damen“ (Link), aber mir persönlich taugen ja spielleitungslose Erzählspiele nix. Und die 50er Jahren sind jetzt auch nicht mein favorisiertes Setting. Daher erst einmal ein dickes Danke an Michael „Miku“ Fuchs, dass er das Thema Schulrollenspiel mit „klassischen“ Regeln und einem modernen Setting für mich deutlich zugänglicher machte. „XOXO“ heißt das System, welches nun in der „Playtest 2025“-Edition als so eine Art spiel- und kaufbare Beta-Version die Runde macht. Und weil man hinter vorgehaltener Hand nur Gutes hört (und weil mir Miku ein Rezi-Exemplar geschickt hat), hab ich mich mal in die mitunter grausame Welt der amerikanischen High School gestürzt. 
 

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XOXO: Playtest 2025“ ist wie bereits erwähnt „nur“ das Beta-Regelwerk, welches auf 48 Seiten aber schon mehr als genug Spielmaterial für mehr als nur einen Spieleabend enthält. Zum Setting an sich muss ich glaube ich gar nicht viel sagen, denn es gibt ja einige Filme und Serien zum Leben & Lernen in weiterführenden US-Schulen. Ich musste allein schon beim Durchblättern direkt an den (zumindest in meiner Erinnerung, denn Rotten Tomatoes & Metacritic sagen was anderes) nach wie vor ziemlich guten Film „Eiskalte Engel“ denken – Mit dem kleinen Unterschied, dass Social Media damals (ich bin so alt...) noch kein großes Thema war. Bei „XOXO“ aber schon, denn selbst wenn man sich theoretisch auch mal aufs Maul hauen kann, ist doch ein fieser Beitrag auf Instagram oder Twitter/X die viel gefährlichere Waffe. Schön ist dabei, dass man nicht auf ein bestimmtes Schulsetting beschränkt ist (entsprechende Filme & Serien zeigen ja doch oft eher weiße & wohlhabendere High Schools). Gang-Konflikte in einer Ghetto-Schule sind also ebenso möglich wie Liebesdramen am Elite-Internat. Daumen hoch bis hierhin!
 

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Bevor man sich aber in den Schulalltag stürzt, muss man erst einmal einen Charakter erstellen. Das Regelwerk bietet drei unterschiedlich komplexe und gebalancte Varianten an, wobei die Verteilung aus einem Punkte-Pool auf die sieben Attribute und fünfzehn Basisfertigkeien (plus passende Wissensfertigkeiten plus zusätzliche weitere freie Fertigkeiten plus passende Kontakte) wohl die üblichste Erschaffungsvariante sein dürfte. Hierbei werden die Attribute und Fertigkeiten mit jeder höheren Stufe immer teurer, sodass man sich zwischen dem langweiligen Durchschnitt oder einem erzählerisch spannenderen Min/Max-Charakter entscheiden muss. Dazu gibt es noch ein paar Optionalregeln, aber die sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass das grundlegende Regelsystem eigentlich ziemlich simpel ist. Attribute bestimmen den W10-Würfelpool, Fertigkeiten den Zielwert. Alle Würfelergebnisse, welche gleich oder unter dem Zielwert sind, gelten als Erfolg. Und dann schaut man mal, ob die von der Spielleitung vorgegebene Erfolgsschwelle erreicht ist. Also beispielsweise, wenn Jada (eine der vier vorgefertigten Charaktere) einen sehr oberflächlichen Typen bezirzen will, dann gibt die Spielleitung beispielsweise drei benötigte Erfolge an. Nun würfelt Jada mit vier W10 (Schönheitswert 4), wobei alle Wurfergebnisse kleiner oder gleich 2 (Flirtfertigkeit 2) als Erfolg gelten. Das Wurfergebnis ist 1, 3, 3 & 7, daher nur einer statt der benötigten drei Erfolge, sodass sie hart gekorbt wird. Hätte sie jedoch zwei Nullen gewürfelt, wäre es ein automatischer/kritischer Erfolg gewesen; hätten mindesten die Hälfte der Würfel eine Neun angezeigt, wäre es ein automatischer/kritischer Fehlschlag gewesen. Und das war es dann, bis auf ein paar Kleinigkeiten, auch tatsächlich schon mit dem gesamten Regelsystem. Auch hier also Daumen hoch!
 

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Neben einem ausführlichen Abschnitt über Sicherheitsmechaniken (weit mehr als nur die allseits beliebte X-Card) bietet das Beta-Regelwerk auch noch ein kleines Einstiegsszenario rund um eine Hausparty, bei der gleich die richtig schweren Geschütze aufgefahren werden: Drogenverkäufe, die Suche nach den Drahtziehern des Social Media-Mobbings und gefälschte Markenprodukte für soziale Anerkennung – Miku wühlt hier tief in der Klischee-Kiste und erschafft damit ein spannendes Szenario, bei dem die Spielleitung aufgrund der Offenheit und der individuellen Charakterziele aber über viel Improvisationsfähigkeit und damit Leitungserfahrung verfügen sollte. Für das finale Regelwerk würde ich mir daher mehr Szenarien oder sogar strukturiertere Kampagnen wünschen. Aber für ein Beta-Regelwerk, welches mitsamt einem Würfelset lächerliche 5 € kostet und welches man sogar gratis auf der XOXO-Homepage downloaden kann, geht das völlig in Ordnung. Zudem wünsche ich mir für die Finalversion auch noch ein Lektorat, denn selbst mir (der diese Rezension völlig übernächtigt sicherlich auch nicht fehlerfrei geschrieben hat) sind einige wenige Fehlerchen und Uneindeutigkeiten aufgefallen. Aber nichts, was man nicht beheben könnte. Hervorheben möchte ich zuletzt – gerade, weil das hier ein super nischiges Selfmade-Indieprodukt ist – den sehr coolen Look, sowohl vom Regelwerk an sich als auch von der Homepage. Das könnte direkt aus einem Jugendmagazin entsprungen sein :-)

Fazit: Dafür, dass „XOXO: Playtest 2025“ (Link) bisher „nur“ ein Beta-Regelwerk ist, macht es schon einen sehr gut durchdachten, nett aussehenden und vor allem funktionsfähigen Eindruck. Also Daumen hoch!