Das Jahr ist noch nicht ganz rum, aber ich wage schon mal zu behaupten, dass die Podcastfolge über Krimispiele (Link) eine der erfolgreichsten war. Logisch, immerhin ist dieses Genre gerade so populär, dass es in den einschlägigen Spieleläden und auch im klassischen Buchhandel fast schon eine Inflation solcher Titel gibt. Und wer hat zur Inflation beigetragen? Tobias Kühnlein, bekannt aus eben jener Podcastfolge (und noch bekannter für seine Arbeit als Wrestling-Kommentator), der mit seiner Partnerin Mona Dengler quasi als Corona-Projekt den ersten „Dark Cases“-Fall erschuf. Und der war so gut, dass der „Gmeiner Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) diesen mit nur wenigen Verbesserungen direkt auf den Markt warf. Also brauche ich gar nicht groß um den heißen Brei drumherum reden, dies hier wird kein tiefer Fall für Mona & Tobias. Viel spannender ist da eher die Frage, wie viel besser oder auch schlechter sich „Tiefer Fall“ im Vergleich zu „Feuerfest“ (Link) spielt, dem von mir sehr gelobten zweiten Teil. Also schauen wir uns dieses Erstlingswerk doch mal genauer an...
„Dark Cases“ ist zuvorderst ein fränkischer Regionalkrimi, bei dem klischeehafter Lokalkolorit (ein Schützenfest und generell Besäufnisse sind ziemlich relevant für den Fall) auf ein knallhartes Verbrechen trifft. Denn der Chef eines örtlichen Suppenproduzenten ist beim Klettern verunglückt, und auch wenn das jetzt ein Spoiler ist, natürlich war es kein Unfall. Und ja, das ist tatsächlich die Lösung der ersten von fünf zu beantworteten Fragen, aber bei einem Krimispiel kann man ja wohl davon ausgehen, dass man hier in einem Kriminalfall ermittelt ;-) Jedenfalls erlebte das Opfer, der Suppenproduzent und Klettersport-Fanatiker Thomas Borgmann, kurz vor der Rente seinen zweiten Frühling. Eine neue Ehefrau, die jünger ist als die eigene Tochter, dazu die Investition des Firmengeldes in einen kostspieligen Lebenstraum und nicht zuletzt die übliche kleinstädtische Vetternwirtschaft, bei der man sich auch mal gern ein paar Feinde macht. Also eine ambivalente Persönlichkeit, bei der es nicht verwunderlich ist, dass „Dark Cases“ am Ende gleich ein ganzes Dutzend an möglichen Tätern (m/w/d) präsentiert. Aber wer davon war es denn nun? Und warum? Und wie gelang der Anschlag?
Genau das soll man lösen, indem man sich in typischer Krimispiel-manier durch zahlreiche Beweise fräst. Beispielsweise gibt es Briefe, Pressemitteilungen, Zeugenaussagen, Tatortprotokolle, (Werbe-)Flyer und natürlich die in solchen Spielen fast schon obligatorische Lokalzeitung. Und das sind nur die „offline“-Beweise, mit welchen man ungefähr die erste Hälfte der laut Verlag 1,5 – 3 Stunden Spielzeit verbringt. Wir haben übrigens nur knapp 1,5 Stunden gebraucht, ein wenig Selbstlob muss auch mal sein ;-) Danach verlagern sich die Ermittlungen ins Internet, beispielsweise auf extra für das Spiel gebastelte Webseiten oder auch vor allem auf Facebook. Wobei man hier im Laufe der Zeit, immerhin ist das Spiel schon von 2022, an der Zugänglichkeit geschraubt hat. Nun muss man sich nicht mehr im Meta-Kosmos anmeldet, um den Fall zu lösen. Daumen hoch für diese Entscheidung!
Ebenfalls einen erhobenen Daumen gibt es für die Schreibarbeit von Tobias, dessen überaus lebendig geschriebene Verhörprotokolle erneut ein mitunter humorvolles i-Tüpfelchen in einem ansonsten ziemlich ernsten Fall sind. Würde Tobias einen fränkischen Comedy-Krimi schreiben, ich würde ihn blind kaufen, denn das kann er ganz großartig! Aber generell geht der Daumen bei „Tiefer Fall“ nahezu durchgehend nach oben, denn es gibt nur wenige Kritikpunkte. Die Webseiten haben auf der Hälfte der vier von uns genutzten Endgeräte nur mittelprächtig funktioniert; außerdem ist das gut lektorierte & gelayoutete Druckmaterial zwar hochwertig, aber durchweg von der gleichen Papiersorte (aber da wurden wir eben von anderen, sehr viel spezialisierteren Verlagen verwöhnt – für so einen mittelgroßen Buchverlag, für den Krimispiele nur ein nettes Zubrot sind, ist das völlig in Ordnung). Aber davon abgesehen gibt es halt nix zu meckern. Die Geschichte ist logisch und nachvollziehbar, die Präsentation ist gelungen und der Schwierigkeitsgrad ist je nach Erfahrungsgrad mittelleicht für Profis und fordernd für Neulinge, sodass dies hier gerade für letztere ein ideales Weihnachtsgeschenk ist. Gerade im Hinblick darauf, dass Krimispiele ja stark im Preis schwanken und man es zum richtigen Zeitpunkt auch mal für 12 € erwerben kann. Wobei die originalen 18 € auch in Ordnung gehen, denn ich gebe hier ein wirklich positives...
Fazit: Ja, man merkt, dass Tobias & Mona ihre Erfahrungen mit „Tiefer Fall“ (Link) im Nachfolger „Feuerfest“ verarbeitet haben. Nichtsdestotrotz ist auch dieser „Dark Cases“-Fall, gerade für Neulinge, wirklich tolle Krimi-Unterhaltung. Ganz persönlich mag ich diesen Fall sogar ein klein wenig mehr, weil unsere Testgruppe durch die Menge der Verdächtigen mehr wilde Theorien aufstellen konnte und weil es eben so unglaublich beeindruckend ist, wie ausgereift dieses Erstlingswerk bereits ist.
