Vor gut einem Monat machte ein Rant-Video eines bekannten dt. Rollenspiel-Influencers die Runde in meiner Nerd-Bubble. Ein Argument gegen den neuen KI-Zeitgeist war dabei ein nicht näher genanntes Spielbuch, welches aber so identifizierend beschrieben wurde, dass ich sofort wusste, worum es sich wohl handeln würde. Und nun mag ich zwar ebenfalls keine generative KI, die Spielbücher vom Ehepaar Riedel (zuletzt „Star Raider“ (Link) & „Die Klabauter Choniken #3“ (Link), ihr erinnert euch, da haben wir letztens in gleich zwei Podcasts (Link) ausführlich drüber gequatscht) haben mich aber bisher immer sehr gut unterhalten. Also hab ich dann mal nach einem Rezensionsexemplar gefragt, um herauszufinden, ob „Monsterjäger Legacy“ wirklich der Untergang des Spielbuch-Abendlandes ist ;-)
 

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Vorweg, damit wir das Thema direkt abgefrühstückt haben: KI-Bilder! In Hülle und Fülle! Denn klar, irgendwie müssen ja die 538 Seiten gefüllt werden, allein schon weil jede der 140 Begegnung („Spielbuch-Abschnitte“ wäre hier die falsche Bezeichnung, dazu gleich mehr) jeweils eine eigene, ganzseitige Illustration spendiert bekommen hat. Die haben dann zwar den typischen KI-Klischeelook, der natürlich Geschmackssache ist, sie bleiben aber immerhin das gesamte Buch über im gleichen Fantasy-Stil. Wobei ich mich vorstellen kann, dass die Illustrationen im großformatigen Hardcover deutlich besser zur Geltung kommen als im PoD-Taschenbuch, da die Bilder etwas verwaschen wirken. Prinzipiell hätte es das aber alles nicht gebraucht, denn letztlich zählen ja die inneren Werte. Also starten wir mal direkt rein ins Abenteuer...
 

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Monsterjäger Legacy“ erzählt keine Geschichte im eigentlichen Sinn, außer dass man halt durch die Gegend zieht um alle möglichen Monster zu jagen. Wenn man die sechs besonders wertvollen Bossmonster erlegt hat, darf man zurück in den Hafen und (je nach Spielverlauf) mit seiner Angebeteten in den Sonnenuntergang segeln. Dazu bereist man sieben verschiedene Regionen (Sumpf, Gebirge, Wald, Ebene, Dorf, Stadt & Dungeon), in welchen man jeweils 20 Begegnungen erleben kann. Diese erzählen manchmal ganz kurze, manchmal auch sich über zwei, drei Begegnungen erstreckende Mini-Geschichten, die durch gelegentliche Entscheidungen und sehr häufige Kämpfe abgeschlossen werden. Dabei richtet sich die Reihenfolge der Begegnungen in den meisten Fällen nach dem Würfelglück – Wie passend, dass es sechs auswählbare Regionen (plus Dungeon-Region, die man aber nur per Story erreicht) mit jeweils zwanzig Begegnungen gibt, denn das sehr einfach gehaltene Regelsystem basiert auf Proben mit W6 & W20. 
 

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In einem Kampf greift man abwechselnd an (außer in Sonderfällen zuerst), wobei man einen W20 gegen den Angriffswert (je nach Charakter zwischen 1W6+5 und 2W6+2, Gegner mit festen Werten) würfelt, um zu schauen, ob man trifft. Unterwürfelt man den Zielwert, kommt es zur Verteidigung, deren Zielwert es ebenfalls mit einem W20 zu unterwürfeln gilt. Dann folgt der Schadenswurf, wobei man vom Ergebnis noch die Rüstung abziehen muss. Einen Mindestschaden macht man aber immer, damit Kämpfe nicht unendlich lange dauern. Bei meinem Würfelpech waren es am Ende dann aber doch ab und an stumpfe Würfelorgien, da gerade die hochleveligen Gegner ordentlich Lebenspunkte haben. Aber auch der eigene Charakter wird immer stärker, meistens durch Ausrüstung, manchmal durch Fähigkeiten, sodass man irgendwann wirklich jede Begegnung meistert.
 

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Und mehr gibt es zu diesem dicken Spielbuch eigentlich gar nicht zu sagen. Wobei ich mich mit der Kategorie „Solo-Spielbuch“ fast etwas schwer tue, denn eigentlich erinnert hier wirklich alles an das Brettspiel „UltraQuest“ (Link), nur dass man als Einzelkämpfer(in) unterwegs ist. Und das ist ja prinzipiell schon mal eine gute Assoziation :-) Auf eine Spielbuch-Sünde muss ich allerdings doch hinweisen, nämlich das Layout der Begegnungen. Die erste Seite ist stets eine ganzseitige Illustration, sodass die Begegnung auf den folgenden Seiten abgehandelt wird. Gerade bei Begegnungen mit mehreren Abschnitten kann man sich so aber selbst spoilern, weil das Auge halt doch mal rasch einen Absatz weiter rutscht, und dann weiß man etwa, welche Seite der Kröte man besser nicht anlecken sollte ;-) Hier würde ich mir für eine Fortsetzung eine durchdachtere Struktur der Seiten wünschen. 
 

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Ebenfalls wünschen würde ich mir eine vernünftige Charaktererschaffung (es besteht zwar die theoretische Möglichkeit, aber es gibt keine Richtlinien, wie man das vernünftig machen soll; so ist man quasi "gezwungen" die vier vorgefertigten Charaktere zu nutzen) und eine Hervorhebung des Open-World-Konzepts. Klar, ich verstehe schon, dass ich meine Begegnungen erwürfeln soll. Aber wie cool wäre es, wenn man stattdessen etwa eine Landkarte hätte, auf der man umherzieht? So wie damals etwa „Das Feuer des Mondes“ (Link), das gaukelte eine freie Welterkundung vor, und das ist auch schon wieder über zehn Jahre alt. Klar, dann wäre der Ablauf etwas festgelegter (denn dann ist etwa die Brücke genau da, wo sie halt auf der Landkarte abgebildet wurde), aber für die Immersion wäre das sicherlich die bessere Wahl. Wobei das Autoren-Ehepaar Riedel es auch hier schafft mit gut geschriebenen, nur halt meist sehr kurzen Texte eine Begegnung lebendig werden zu lassen – Da ist Potential drin, dass ein Folgeband ein richtiger Kracher werden könnte!

Fazit: Dank dem Influencer-Rant kam ich zum Spielspaß, denn „Monsterjäger Legacy: Das Open World Fantasy Spielbuch“ (Link) ist ein spielerisch zwar eher simpel gehaltenes, aber doch kurzweiliges, abwechslungsreichen und vor allem wiederspielbares Solo-Spielbuch.