Es war die größte Spielbuch-Überraschung des letzten Jahres: „Die Klabauter-Chroniken“ (Link), basierend auf einer LARP-Gruppe und als Erstlingswerk im Selfpublishing herausgebracht, wischte qualitativ mit vielen Verlagskonkurrenz-Spielbüchern den Boden des Piratenschiffs Schattenschnabel auf – Was zugegebenermaßen aber auch daran lag, dass Spielbuch-Götter wie Swen Harder (Link) und Jörg Benne (Link) sich dem finanziell lukrativeren Escape-Game-Markt zugewandt haben :-P Nichtsdestotrotz, der Auftaktband einer ganzen Spielbuch-Reihe war damals sehr beeindruckend, sodass ich sehr gespannt auf den Nachfolger war...  

Das unabhängig vom Vorgänger spielbare Spielbuch „Die Klabauter-Chroniken: Durch Sand und Sturm“ erzählt einmal mehr die Geschichte eines Normalos, der sich die Aufnahme in die Piratencrew von Captain Fischer verdient und dann ein erstes Abenteuer erlebt. Diesmal verkörpert man einen den Gehilfen eines Rüstungs- & Waffenhändlers, der aus seinen treuen Diensten entlassen wird. Aber kein Grund zum Traurigsein, denn der Abschied wird mit einem dicken Schwert und ein paar Kupfermünzen versüßt. Und da die Hafenstadt Eichenfall ein heißes Pflaster ist, wird man seine Abschiedsgeschenke alsbald nutzen müssen... Wie schon der Auftaktband auch ist dieser 321 Seiten dicke beziehungsweise 342 Abschnitte umfangreiche Spielbuch in drei Kapitel aufgeteilt:

  1. Fernweh und Schicksal treiben den Protagonisten voran, als er in und um Eichenfall mehrere kleine Abenteuer erlebt. Beispielsweise kann man ein Räuberlager ausheben, einem Händler helfen, ein wenig dem Glücksspiel frönen oder auch einem Verurteilten seine Würde wiedergeben. Meist sind das wirklich nur sehr kurze Episoden, die aber oft nützliche Gegenstände offerieren, die spätere Ereignisse einfacher gestalten.
  2. Irgendwann hat man sich dann endlich auf dem Piratenschiff Schattenschnabel eingefunden. Doch im zweiten Kapitel Gefahr und Erkenntnis merkt man rasch, dass man diesmal nicht zur See fährt, sondern sich durch die Wüste kämpft. Denn das mittelöstlich angehauchte Uthmarie bietet ebenfalls mehrere kleine Abenteuer, wobei die Eskorte einer Karawane die eigentliche Geschichte einleitete.
  3. Wie auch im letzten Band gestaltet sich das abschließende Kapitel besonders kampflastig, wobei man hier aber auch gefühlt die meisten verschiedenen Story-Pfade gehen kann. Eine Unantastbare Freiheit hat man zwar nicht, aber das Durchstöbern einer Pyramide und das Auslöschen des dort ansässigen Kultes führt zumindest zu verschiedenen Spielenden.

 

Spielmechanisch bleibt der zweite Band weiterhin recht konservativ. Neben dem grundlegenden Spielprinzip (an den meisten Enden eines Abschnitts gibt es mehrere Auswahlmöglichkeiten, die auf den jeweils nächsten zu lesenden Abschnitt verweisen) gibt es eine rudimentäre Inventarverwaltung und ein einfaches W20-Kampfsystem: Rundenweise kann man einen Gegner angreifen, der schlägt dann zurück (bzw. die, falls es mehrere sind). Erst gibt es einen Angriffswurf, bei Erfolg dann vom Angegriffenen einen Verteidigungswurf, jeweils muss ein Zielwert unterwürfelt werden. Wenn der Angriffswurf klappt, der Verteidigungswurf des Ziels aber fehlschlägt, würfelt man den Schaden. Und irgendwann ist jemand tot :-D Außerdem gibt es erneut einige W6-Würfelproben, die rein vom Glück abhängig sind und die mitunter, falls man mal schlecht würfelt, den Tod bedeuten. Das ist weiterhin ärgerlich. Ansonsten scheint mir das Balancing aber leicht angepasst worden zu sein, man siehe etwa die Startwaffe, die nun gefühlt stärker ist als so ziemlich alles, was man so im ersten Band in die Hand bekam ;-)  

Um es kurz zu machen: „Die Klabauter-Chroniken: Durch Sand und Sturm“ ist ein gutes Spielbuch! Aber rückblickend betrachtet mochte ich den Auftaktband jedoch etwas lieber, was aber zugegeben auch ein wenig mit persönlichen Vorurteilen und Klischee-Vorstellungen zu tun hat: Wenn ich schon so eine Piraten-Thematik habe, dann will ich wilde (See-)Schlachten der Piraten gegen die Obrigkeit oder wenigstens ein paar Handelsschiffe überfallen, und nicht irgendwelche Wüstenkulte, die sich zwischen Pyramiden und Kamelen verstecken. Das soll die Bewertung der erzählerischen Qualität nicht mindern, denn Barbara & Tobias Riedel (die mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt haben) haben einen flüssigen und einfach guten Schreibstil. Aber atmosphärisch hat sich dieser zweite Band dann doch sehr viel mehr wie ein generisches Fantasy-Spielbuch mit einer generischen Fantasy-Geschichte angefühlt, bei dem man die kurz abgehandelte Reise von Insel A zu Insel B halt zufällig mit einem Piratenschiff zurücklegt. Nichtsdestotrotz gehört „Die Klabauter-Chroniken: Durch Sand und Sturm“ definitiv zu den besseren in letzter Zeit erschienenen Genre-Vertretern!