Milliardäre (warum eigentlich so oft Männer?), die sich trotz ihrer Privilegien selbstlos für die Armen und Schwachen einsetzen, gibt es in der Populärkultur mehr als genug. Bruce Wayne a.k.a. Batman ist vermutlich der Prototyp eines solchen Helden, aber auch verschiedene Figuren aus anderen Comic-Universen (z.B. Tony Stark a.k.a. Iron Man & T'Challa a.k.a. Black Panther) und aus der Folklore (z.B. Robin Hood) müssen sich die Frage stellen, ob #TaxTheRich nicht viel sinnvoller wäre als Vigilantismus ;-)
 

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Auch der Augsburger Kleinverlag „Bunte Dimensionen“ (der mir dankenswerterweise sogar gleich zwei Rezensionsexemplare zur Verfügung stellte) hat so einen milliardenschweren Selbstjustizler im Portfolio, nämlich Harrison Banks, den Bürgermeister der einstmals schwimmenden, nun aber im Weltraum schwebenden Goldenen Stadt. Zwar verkleidet er sich nicht, aber die auf der Erde zurückgebliebenen Bösewichte (zuletzt die russische Mafia, davor auch machthungrige Familienangehörige) müssen sich trotzdem vor ihm in Acht nehmen. Auch, weil er mittlerweile mit einigen Ghetto-Underdogs (besonders dem Profi-Hacker Apple) gemeinsame Sache macht. Doch all diese Macht nutzt ihm diesmal nichts, denn ein Alien-Asteroid ist ihm immer einen Schritt voraus... Aliens? In einem antikapitalistischen Near-Future-Cyberpunk-Epos? Kann das funktionieren???
 

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Aber von vorn: Apple, dessen Hacking-Skills die Goldene Stadt noch ein Stückchen sicherer gemacht haben, lässt sich zu Beginn dieses 15. Bandes (und zugleich Zyklus-Beginns) erst einmal ausführlich erklären, warum das hier die sicherste und beste Stadt überhaupt ist. Nicht unbedingt für Arme, denn die dürfen auf der Erde bittere Not leiden, aber die Reichsten der Reichen haben hier schon ein schönes und vor allem sicheres Leben – Bis jetzt! Denn ein Asteroid auf Kollisionskurs, der sich als fliegendes Alien entpuppt, wirbelt alles durcheinander. Mit der Fähigkeit des manipulativen Parasitismus gesegnet, bringt es etwa den Stadtkommandanten/Raumschiffkapitän dazu, die Goldene Stadt mit Karacho auf die Erde zusteuern zu lassen. Und Elektrogeräte kann es manipulieren oder gar explodieren lassen, wenn man ihm zu nah kommt...

Also quasi ein unbesiegbarer Gegner, der von Harrison, Apple und deren Ghetto-Crew eine ganze Menge abverlangt – Aber Spoiler, die sind allesamt so inkompetent, dass das Alien eigentlich gar nicht so viele „Zauberkräfte“ bräuchte, um die Goldene Stadt dem Untergang zu weihen... Beispielsweise besitzt die Hochsicherheitsforschungseinrichtung (die sich auf dem Raumschiff befindet, anstatt dass man die unbekannte Lebensform erst einmal IRGENDWO weit weg von hunderttausenden Menschen untersucht) einfach ein offenes Fenster, durch welches das Alien entkommt. Und dann manipuliert es die Menschen mit Gedankenkraft so, dass diese nicht in der Lage sind die Triebwerke abzuschalten. Gut, man hat den weltbesten Hacker an Bord, der kann da doch sicher irgendwas machen? Nein, lieber sitzt man stundenlang rum, um zu überlegen, wie man den einzigen Steuerknopf drückt. Unabhängig von dem Sicherheitsaspekt, dass das größte Raumschiff im ganzen Weltraum genau einen Knopf hat, um die Triebwerke zu bedienen, stehen da überall Roboter rum, die den Knopf auch drücken könnten. Das fällt mir als Leser nach 5 Sekunden, dem sonst immer so superschlauen Harrison nebst Expertengremium nach gut einem Drittel des 48 Seiten dicken Bandes ein... Und wenn gefühlt 500 Meter neben einem eine fliegende Großstadt abstürzt, sollte man vielleicht mal überlegen, ob eine rechtzeitige Flucht sinnvoll wäre ;-) 
 

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Und hier bin ich tatsächlich enttäuscht von Daniel Pecqueur. Der französische Comic-Autor hat sonst immer so clevere Ideen und entwirft so tolle Dystopien, er erzählt auch in der „Golden City“-Reihe fast immer unterhaltsame Geschichten, aber hier macht er es sich einfach unglaublich einfach. Die Figuren werden künstlich verdummt, nur damit am Ende genau das Szenario eintritt, das man für die Fortführung des neuen Story-Zyklus braucht... Und ja, natürlich habe ich weiterhin Bock auf diese Comic-Reihe, denn sie hat ein spannendes Worldbuilding und auch hübsche Zeichnungen. Aber ich ärgere mich trotzdem, denn ich will nicht für dumm verkauft werden :-( Spannender als der recht öde Vorgängerband „Dark Web“ (Link) ist dieser 15. Band trotzdem, auch wenn ich jetzt so viel gemeckert habe. Hoffen wir einfach mal, dass das kleine Formtief mit dem nächsten Band überwunden sein wird.

Fazit: Nette Science-Fiction, hübsch verpackt. Aber unabhängig davon ist „Golden City #15 Tag des Grauens“ (Link) für alle Fans von Logik ein Grauen.

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