Wenn es etwas gibt, was ich in meiner bisherigen Rollenspiel-Karriere sehr selten gesehen habe, dann sind es vorgefertige Geschichten (z.B. Kaufabenteuer oder wie hier Solo-Spielbücher), in denen man explizit als BösewichtIn agiert. Selbst in anderen Titeln der „Spiele-Comic Noir“-Reihe, etwa dem spielerisch wirklich guten „Loup-Garou“ (Link), ist man nur „aus Versehen“ ein böser Werwolf und handelt letztlich doch irgendwie zum Wohle der Welt. Dass man in „Magica Tenebrae“ also wirklich so böse ist und dass Nettigkeitsanwandlungen spielerische Nachteile bringen ist eine erfrischende Abwechselung. Aber ist, davon mal abgesehen, dieses Comic-Spielbuch auch gut? In diesem 311 Abschnitte starkem Comic-Spielbuch verkörpert man einen skrupellosen Hexer, der gemeinsam mit seinem dämonischen Flugschwein Grix einen gefährlichen Auftrag ausführen muss: Im Auftrag des Dämonenprinzen soll er in den heiligen Tempel von Okbrid eindringen, um eine Hohepriesterin zu ermorden. Das ist theoretisch gar nicht schwer, denn der Hexer kann einige fiese Zauber, aber immer wieder kreuzt die Inquisition seinen Weg... Tatsächlich ist das die ganze Geschichte, aber mehr muss man eigentlich auch nicht erfahren, denn in diesem Comic-Spielbuch ist definitiv der Weg das Ziel ;-) Denn man durchstreift verschiedenste Orte und erfüllt dort möglicherweise kleinere Aufgaben, die gewisse Bonusgegenstände (z.B. ein kaiserliches Siegel, ein magisches Tattoo oder sehr oft ein spezielles Kennwort) bringen, welche den Verlauf der Geschichte vereinfachen. Oft beinhalten diese Aufgaben den Einsatz von moralisch verwerflichen Handlungen (z.B. das Töten eines wehrlosen Pfandleihers), welche die Finsternis des Charakters erhöhen. Und damit sind wir schon bei den Regeln: Die sind prinzipiell erst einmal sehr simpel, denn meistens muss man sich am Ende eines Abschnittes einfach für einen weiteren Abschnitt entscheiden – Eine klassische Spielbuch-Mechanik ohne großen Firlefanz! Interessant wird es durch die magischen Fähigkeiten des Hexers: Zu Beginn darf man sich zwei von vier möglichen Varianten aussuchen (z.B. Beschwörung und Beeinflussung), die natürlich nicht in jeder Situation gleich gut funktionieren. Außerdem kosten sie eine ganze Menge an Mana-Punkten, von denen man nur wenig zur Verfügung hat. Wenn man geschickt entscheidet, kann man den Verbrauch aber senken oder den Vorrat sogar etwas auffüllen. Neben seinem Mana-Vorrat muss man in „Magica Tenebrae“ auch noch seine Finsternis-Punkte verwalten. Je höher dieser Wert ist, umso schneller triggert man kritische Ereignisse und umso leichter wird man von magisch sensiblen Wesen (z.B. HexenjägerInnen) entdeckt – Das führt zu der interessanten Zwickmühle, dass man Probleme mit finsteren Taten zwar wesentlich einfacher lösen kann, jedoch um den Preis, dass der ohnehin fordernde Schwierigkeitsgrad im Spielverlauf weiter ansteigt. Schwierigkeitsgrad ist auch ein gutes Stichwort, denn leicht ist die Ermordung der Hohepriesterin nicht. Zu oft hat man rasch seine Mana-Punkte rausgehauen oder so viele Finsternis-Punkte angesammelt, dass man sozusagen ein „Hier bin ich!“-Blaulicht mit sich herumträgt. Außerdem gibt es durchaus einige Sackgassen, die mir recht willkürlich erschienen. Es ist also keine Schande, das Comic-Spielbuch nochmal von vorn anzufangen – Wenn man alle 311 Abschnitte sehen möchte, muss man das nämlich sowieso tun, da man sonst eine ganze Reihe der Mini-Abenteuer verpasst. Zudem gibt es zwei verschiedene Enden (von denen keines, und das finde ich wunderbar konsequent, ein „Vom Saulus zum Paulus“-Wohlfühlfinale ist!) und eine ganze Menge an wirklich schönen Zeichnungen im knallbunten Manga-Stil zu entdecken. Der Wiederspielwert ist also durchaus gegeben, sodass ich den Hardcover-Preis von 14,95 €, den „Pegasus Spiele“ (die mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellten) verlangt, als vertretbar erachte. Fazit: „Spiele-Comic Noir: Magica Tenebrae“ (Link) reiht sich ins Mittelfeld der „Pegasus“-Spielbücher ein. Es überzeugt mit schönen Zeichnungen und konsequenter Boshaftigkeit, spielerisch ist es aber ohne große Besonderheiten.