Nun ist es ja kein Geheimnis, dass ich ein großer Fan des „Splitter Verlags“ bin. Was mich aber nie davon abhält, auch mal ironische Seitenhiebe zu verteilen, wenn die PR-Abteilung über Ziel hinaus schießt. Wie etwa bei der leichtgewichtigen SciFi-Action „Colony“ (Link), welche als charakterstarke Space-Opera im Stil von „The Expanse“ beworben wurde. Aber nun gibt es endlich einen SciFi-Comic, der diesen Werbespruch auch verdient: „Frontier“ vom Autor & Zeichner Guillaume Singelin bietet eine epische Geschichte, deren Bodenhaftigkeit (ziemlich ironisch, da der Comic in der Schwerelosigkeit spielt), Realismus und Kapitalismuskritik perfekt zur legendären Roman-Reihe passt.
„Frontier“ erzählt über 200 Seiten hinweg die zusammenlaufende Geschichte der drei Hauptfiguren Ji-Soo, Alex und Camina. Allen drei ist gemein, dass sie kleine bis kleinste Rädchen in einer kapitalistischen Dystopie sind, in welcher Großkonzerne für die Ausbeutung des Universums regelmäßig über Leichen gehen. Die desillusionierte Ingenieurin und Weltraum-Archäologin Ji-Soo hat es da noch am besten getroffen, denn durch einen geschickt ausgehandelten Vertrag „darf“ sie quasi lebenslang für ihren Konzern arbeiten, selbst als sie als Whistleblowerin gegen die Konzerninteressen agiert. Doch nun hat sie es übertrieben, sodass sie mit einem kleineren Leitungsposten auf einem Bergbau-Raumschiff endgültig aufs Abstellgleis geschoben wird. Dort macht sie sich mit ihrer aufbegehrenden und gutherzigen Art aber rasch Freunde. Gemeinsam mit dem Konzernarbeiter Alex muss sie aber alsbald in einer Rettungskapsel fliehen, da sie eine weitere Konzernschweinerei aufdecken. Gestrandet auf einem spärlich besiedelten, kargen Planeten lernen sie die ehemalige Söldnerin Camina kennen, welche nach einer schweren Verletzung eine Karriere als Weltraum-Schrottsammlerin anstrebt... Aber hier wartet noch lange kein Happy End auf das Trio, denn ihre Vergangenheit holt sie immer wieder ein. Denn der ehemalige Arbeitgeber von Ji-Soo und Alex hat ein hohes Kopfgeld auf die beiden ausgesetzt hat, und auch einige Opfer ihrer konzernfeindlichen Aktionen haben auch Jahre später noch eine Rechnung mit ihnen offen! Aber nicht alles ist schlecht in der Zukunft, denn auf ihrer Flucht lernen sie auch alternative Raumfahrt-Communities kennen, welche dem desillusionierten Trio neue Hoffnung geben...
Und damit habe ich jetzt eigentlich auch schon die halbe Handlung gespoilert, aber das ist völlig egal! Denn „Frontiers“ lebt nicht von unvorhergesehenen Story-Twists, sondern von einer (trotz cooler SciFi-Action) fast schon geruhsamen Reise durch das Leben und Arbeiten des Konzernfußvolks. Gerade im Weltraum gibt es Szenen, die erinnern fast schon an ein Wimmelbild, wenn die fleißigen kleinen Chibi-Bienchen ihrem Tagwerk nachgehen. Oder es wird sich Zeit genommen für Alltagsszenen, beispielsweise Weltraumbestattungen und Frachbergungen. Das entschleunigt den Comic sehr, sodass ich ihn nicht als klassischen Page-Turner einordnen würde. Denn man liest zwar sehr gern von der ersten bis zur letzten Seite, aber man muss und vor allem will sich eigentlich zwischendurch die Zeit nehmen, um das Gesehene zu verarbeiten. Und mit jeder weiteren Seiten spürt man dabei, dass der „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) hier einen der besten Genre-Werke des Jahres publiziert hat.
Fazit: Der ausgesprochen bodenständige SciFi-Comic „Frontier“ (Link) ist eine charakterstarke Space-Opera im Stil von „The Expanse“. Empfehlenswert!