Steve Travis, der Protagonist der gleichnamigen Cyberpunk-Dystopie, die mittlerweile nun schon in die 17. Runde geht (plus Gastauftritten & Crossovern in der Schwester-Reihe „Carmen Mc Callum“), ist endlich wieder da! Okay, er war nie wirklich weg, hat sich nur versteckt, denn zwischendurch hatten sich die Nebenfiguren Vlad & Pacman in den Vordergrund gedrängt. Aber im hervorragenden Vorgängerband „Operation Gorgone“ (Link), der zugleich den fünften Zyklus abschloss, kam Travis dann mit all seiner heroischen Männlichkeit zurück – Ein deutlicher Gewinn an Lesefreude, denn auch wenn beim Dystopie-Mastermind Fred Duval vor allem das Near-Future-SciFi-Setting nebst fortwährendem KI-Metaplot der eigentliche Star ist, freut man sich als Fan der Reihe doch ziemlich, wenn die Titelfigur (die im Vergleich zur gottgleichen Carmen Mc Callum auch deutlich nahbarer geschrieben wurde) dann auch wirklich die Haupt- und nicht nur die Nebenfigur ist ;-) Aber so schnell Travis zum Weltenretter wurde, so schnell wird er wieder zu einem kleinen Rädchen im System, während andere Figuren den Metaplot voranbringen...
Aber vor vorn: Carmen Mc Callum, die weltbeste Profi-Killerin überhaupt, hat dann doch mal ordentlich was abbekommen. Aber keine Sorge, die moderne Medizin regelt, und so kuriert sie sich auf dem Mars aus. An ihrer Seite tapfer ausharrend der (zufällig?) anwesende Travis, der von ihr dann aber doch heim geschickt wird, damit sie ihre Rache am Chef des Transgenic-Konzerns vorbereiten kann. Also chillen Travis und Vlad gemütlich in Dänemark, bis ihnen irgendwer das Wasser abstellt. Ob da schon wieder die Wasserwirtschafts-KI Dommy ihre digitalen Finger im Spiel hat? Oder sind es diesmal „nur“ verbrecherische Turbo-Kapitalisten?
Vlad und Travis ermitteln und ballern sich dabei bis an die Spitze der örtlichen Trinkwasser-Mafia. Nur um dann in eine Falle zu geraten... Und Falle ist ein gutes Stichwort, denn auch der weltbeste Profi-Hacker Pacman bastelt an einer ebensolchen. Seine Aufgabe ist nämlich die Bekämpfung der Dommy-KI, welche mittlerweile selbst die größten Konzerne und mächtigsten Regierungen in die Knie zwingen könnte. Wobei die Reichen & Mächtigen dieser Welt eigentlich ganz andere Probleme haben, da Carmen tatsächlich ihren Racheplan umsetzt...
Und an dieser kurzen Inhaltsbeschreibung sieht man mal wieder, wo der Unterschied zwischen den Geschwisterserien „Travis“ und „Carmen Mc Callum“ liegt. Während Carmen das Schicksal der Welt (oder wenigstens den Metaplot) mit ihren Taten verändert und selbst die Nebenfigur Pacman gegen die größte Bedrohung der Menschheit ins Feld zieht, beschäftigt sich Travis mit ein paar lokalen Problemen, die ihn selbst betreffen. Das war zwar nicht immer so, aber doch überwiegend, schon beginnend ganz am Anfang der Reihe (erst „Stirb langsam“ im Weltraum, damals noch gegen statt mit Vlad, dann als Hausbesetzer gegen Wohnungskonzerne). Und das ist sympathisch, das ist bodenständig, denn hier kämpft „Einer von uns“ gegen „die da oben“ – Dafür lieben wir den schießwütigen Weltraum-Trucker einfach :-) Aber durch die starke Vermischung mit den Abenteuern von Carmen Mc Callum wirkt der Band leicht unrund, einfach weil hier sozusagen zwei „Powerlevel“ oder „Epicness-Faktoren“ nebeneinander stehen, die so krass unterschiedlich sind. Klar, auch Travis & Vlad werden ihren Beitrag zum Metaplot leisten, aber in diesem Band fällt der Unterschied halt doch deutlich ins Auge. Was aber den Lesespaß nicht mindert, denn Fred Duval zeigt mal wieder, was er erzählerisch so drauf hat. Auch die Zeichnungen von Christophe Quet und die Kolorierung von Pierre Schelle sind auf einem gewohnten Niveau, sodass Fans hier definitiv zugreifen dürfen. Ein klein wenig wird der Lesespaß lediglich dadurch gemindert, dass der kleine Augsburger Verlag „Bunte Dimensionen“ dummerweise die unlektorierte anstatt die lektorierte Datei in den Druck gegeben hat – Ein ärgerlicher Fehler, den ich aber allein schon deshalb verzeihen kann, weil ich letztens selbst (und zwar ausgerechnet bei der bisher erfolgreichsten Episode des Jahres) im Podcast eine unbearbeitete Folge hochgeladen hab. Das ist menschlich, weswegen wir uns aber sich sein können, dass Verlagschef Thierry nächstes Mal doppelt und dreifach kontrolliert ;-)
Fazit: Während die Schwesterserie zwischendurch mal schwächelte, hält „Travis #17 Trockener Regen“ (Link) überraschend konstant das bisherige Qualitätslevel. Und auch wenn die Titelfigur (die endlich auch wieder der Protagonist ist) erneut nicht die Welt rettet, sondern nur graswurzelmäßig vor Ort aushilft, ist er doch die unterhaltsamere Figur aus Fred Duvals Comic-Universum. Eine dicke Kaufempfehlung für alle Fans von Cyberpunk und SciFi-Dystopien!