Tipps & Tricks für Spielleitungen finden sich mittlerweile nicht mehr nur in abgespeckter Form in den allermeisten Grundregelwerken, sondern auch wesentlich ausführlicher in fast schon an klassische Ratgeber erinnernde Publikationen. Erst Anfang des Monats hatten wir etwa „685 Tipps für Spielleitungen“ im Podcast besprochen (Link, ca. Minute 12), dazu gibt es vom „System Matters“-Verlag gleich zwei Standartwerke (u.a. „Das Dungeon Alphabet“ (Link), zu dem ich in diesem Text noch kommen werde). Und der damals sehr umstrittene Essay-Band „Roll Inclusive“ (Link) gehört ja auch irgendwie in diese Kategorie. Mit dem „Almanach der Inspirationen“ reiht sich da nun ein weiterer Genre-Vertreter ein. Geschrieben wurde der Almanach von Thomas Sedlmeyr, welcher schon seit über drei Jahrzehnten dem Hobby frönt, wie man in seinem Interview mit meinen Podcast-Kollegen André a.k.a. Würfelheld (Link) nachlesen kann. Und offensichtlich hat er da eine ganze Menge an Erfahrung gesammelt, denn das Büchlein ist stolze 192 Seiten dick – Und zwar im DIN-A4-Format, eng beschrieben mit ganz wenigen Auflockerungen (etwa Zeichnungen oder Tabellen). Sich hier durchzuwurschteln ist also richtige Arbeit – Aber wenn man am Ende klüger ist, dann hat sich die Arbeit ja gelohnt ;-) Aufgeteilt ist der Almanach in fünf Kapitel, welche wiederum in viele kleine Unterpunkte aufteilt werden:
1. Erst einmal eher allgemeinere Dinge zum Job einer Spielleitung gibt es in „Die Kunst des Meisterns“. Nichts, was man nicht schon irgendwo anders gelesen hat, hier aber ein gewisses „tradiertes“ Spiel- und damit auch Machtverständnis offenbarend: Wenn die Spielenden mal längerfristig „nörgeln“ (zumindest steht das unter diesem Themenpunkt als Tipp), dann „ist es irgendwann Zeit für die richtig fiese Meisterscheiße“. Sind sie durch einen iPod abgelenkt, wird der Charakter direkt von Sirenen zerrissen... (Hier wollte ich schreiben, dass man merkt, dass das Buch lang in der Entwicklung war. Aber tatsächlich wurden iPods bis kurz vor der Almanach-Veröffentlichung produziert!) 2. Spätestens im zweiten Kapitel über Charaktere macht der Almanach seinem Titel dann alle Ehre, denn hier gibt es eine ganze Reihe an Vorschlägen oder eben Inspirationen zu Namen, Eigenschaften, Berufen etc. 3. Das Abenteuer ist ja das Herzstück eines jeden Rollenspielsitzung, weshalb dieses Kapitel auch den Großteil des Buches (knapp zwei Drittel) einnimmt. Hier gibt es so ziemlich alles, was man brauchen kann, von kniffligen Rätseln bis zu ausgearbeiteten Nichtspieler-Charakteren nebst dazugehörigen Abenteuern. 4. Sehr viele ausgearbeite Beispiele gibt es dann auch bei der Ausrüstung, während der... 5. Anhang dann eine Ansammlung von Namen & Attributen ist, falls man mal schnell was braucht.
Der „Almanach der Inspirationen“ ist systemunabhängig geschrieben, solange es nur in die Fantasy-Richtung geht. Er bietet tatsächlich die versprochenen Inspirationen, krankt jedoch an der drögen Aufmachung – Da helfen selbst die wenigen Zeichnungen nicht. Inhaltlich erinnert er stark an den OSR-Ratgeber „Das Dungeon Alphabet“, nur dass Sedlmeyrs Büchlein mehr als doppelt so dick ist und vermutlich sogar das Drei- oder gar Vierfache an Inhalt bietet. Im direkten Vergleich sehe ich hier einen riesigen Konzeptionsfehler, der verhindert, dass „Almanach der Inspirationen“ zu einem Verkaufsschlager wird: All die zahllosen Beispiele, Vorschläge, Inspirationen und Erklärungen stehen einfach so nach- oder untereinander aufgelistet. Hätte man dies als Zufallstabelle gestaltet, also im Prinzip einfach nur ein Würfelergebnis vor jeden thematischen (Unterunterunter-)Unterpunkt gesetzt, dann würden die OSR-Spielleitungen dem Sedlmeyr diesen Almanach vermutlich aus den Händen reißen. So hingegen wirkt die inhaltlich eigentlich sehr fundierte Textwüste arg unsexy... Fazit: Für eine intensive Vorbereitung einer Kampagne kann ich mir die Nutzung des Buches gut vorstellen, für einen Einsatz quasi live am Tisch (so wie es bei „Das Dungeon Alphabet“ problemlos ging) erscheint es mir wenig geeignet. Aber wie gesagt, der „Almanach der Inspirationen“ (Link) hat seine Daseinsberechtigung, und bei dem Preis von 27 € bekommt man auch eine ganze Menge Text fürs Geld. Ob ich nun aber in solche Rezi-Jubelstürme ausbreche wie der Würfelheld (Link)? Wohl eher nicht - Aber da es ja im BoD-Selfpublishing erscheint, kann Sedlmeyr die Kritikpunkte für eine überarbeitete Fassung ja rasch ausmerzen.