Anthropomorphe Tiere sind überall gern gesehene/gelesene/gespielte Figuren. Gerade erst haben wir im Podcast über das beliebte Nager-Rollenspiel „Mausritter“ (Link) gesprochen, aber auch in Comics (z.B. aktuell in der herausragenden Reihe „Die 5 Reiche“ (Link), die stark an „Game of Thrones“ erinnert) oder in Brettspielen (z.B. das preisgekrönte „Root“) finden sich menschenähnliche Fantasy-Tiere, die ganz und gar menschliche Konflikte austragen. Zu dem letztgenannten Beispiel, also dem asynchronen Kriegsspiel „Root“ aus dem Jahr 2018, gibt es nun auch ein Pen-and-Paper-Rollenspiel. Und weil auch ich gerne süße kleine Tiere in epische Schlachten führe, hab ich mir das Grundregelwerk mal näher angeschaut...
In „Root“ verkörpert man anthropomorphe Waldtiere, von denen man alles spielen kann, was erstens nicht größer als ein Wolf und zweitens kein reines Wassertier ist. Füchse und Hasen sind also okay, ein Dachs ebenso, aber der 3-Meter-Wels aus dem Brombachsee nicht ;-) Diese leben in einem beschaulichen Wald, der aber – und da möge man sich von den niedlichen wenn auch eher einfach gehaltenen Zeichnungen nicht täuschen lassen – die reinste Hölle ist. Denn zwischen den verschiedenen Machtgruppen wie etwa den „Horstdynastien“ (Pseudo-Mittelalter-Adelshäuser), dem „Marquisat“ (Katzen-Invasoren) und der „Waldlandallianz“ (Anarchie-Rebellen) herrscht ein erbitterter Krieg, durch den das verarmte Waldvolk leidet. Aber um mal einen bekannten dt. DIY-Influencer zu zitieren, „Krise kann auch geil sein“, und so sind diese Kriegswirren der ideale Entfaltungsort für die Vagabundierenden, zu denen auch die Spielenden gehören. Von Waldlichtung zu Waldlichtung ziehend, erfüllen sie für die verschiedensten großen und kleinen Fraktionen gefährliche Aufträge, solange am Ende die Kasse stimmt.
Bevor man sich aber ins Abenteuer stürzen kann, muss erst einmal ein Charakter erschaffen werden. Wichtiger als die Wahl des Tieres oder der tragischen Hintergrundgeschichte ist dabei die Wahl des Rollenbuchs, von denen es im Grundregelwerk neun Stück zur Auswahl gibt: Abenteurer*in, Dieb*in, Geländeläufer*in, Landstreicher*in, Ronin, Schlichter*in, Schurk*in, Tüftler*in und Waldläufer*in. Und ja, eh jemand fragt, „Pegasus Spiele“ (die mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellten) haben die 256 Seiten durchgegendert. Was ich persönlich begrüßenswert finde, viele Engstirnige auf Amazon aber nicht – Weshalb es dort gerade mal bei 2,9 / 5 Sternen steht, was absolut lachhaft ist! Klar, nicht jeder mag geschlechtergerechte Sprache, aber nur wegen ein paar Sternchen die Minimalwertung geben, obwohl das Grundregelwerk spielmechanisch und auch produktionstechnisch (Layout, Lektorat, Zeichnungen) wirklich gut ist? Armselig!
Man entschuldige den kurzen Exkurs, zurück zum Thema. Der Begriff „Rollenbuch“ hat es bereits angedeutet, wir haben hier wieder mal eine „Powered by the Apocalypse“-Regelmechanik. Man verwendet also sogenannte Spielzüge (sowohl allgemeine wie „Dem Schicksal vertrauen“ als auch klasschenspezifische wie „Bauen und Vernichten“), für die man eine 2W6-Probe würfelt. Boni oder Mali hinzugerechnet ist ein Ergebnis von 7-9 dann ein Teilerfolg, der eine Komplikation auslöst. Alles von 10 aufwärts ist dagegen richtig gut gelungen. Bei einem Ergebnis von 6 oder weniger erleidet man jedoch einen Misserfolg, was zwar prinzipiell ärgerlich ist, aber der Spielleitung die Gelegenheit für eine spannungssteigernde Wendung gibt. Detaillierte Informationen zu den „Powered by the Apocalypse“-Regelmechaniken findet ihr in unserem Podcast (Link), aber Achtung, da wird auch gegendert ;-)
Auf den 256 Seiten, gedruckt als buntes Hardcover im 6x9 Inch-Format, findet man dann jedenfalls wirklich alles, was man zum Spielen beziehungsweise zum Spielleiten benötigt. Nach einer achtseitigen Einleitung und einer vierzehnseitigen Weltbeschreibung (klingt wenig, aber man würfelt sich den Wald selbst zusammen) folgen 15 Seiten über die spielerischen Grundlagen, bevor man sich auf 22 Seiten einen Charakter erstellen kann (wobei allein davon 20 Seiten erklären, wie man ein Rollenbuch korrekt ausfüllt). Es folgen ganze 68 Seiten mit den Regeln (wer hat nochmal behauptet, dass „Powered by the Apocalypse“ ein leichtgewichtiges Erzählspiel sei???), bevor auf 38 Seiten die Rollenbücher vorgestellt werden. 24 Seiten zur Entwicklung und Ausrüstung schließen den Teil für die Spielenden ab, bevor noch 30 Seiten mit Spielleitungstipps, 18 Seiten mit Schauplatz-Entwicklung und 15 Seiten mit einem komplett ausgearbeiteten Beispielschauplatz nebst Abenteuerideen folgen. Ein Index schließt das Büchlein dann ab... Und das reicht dann auch, nach der Lektüre rauchte mir der Kopf, obschon sowohl das Setting als auch die Regelmechaniken ja gar nicht sooooo kompliziert sind – Gerade im Vergleich zu bekannten Rollenspiele, deren 3-Buchstaben-Abkürzungen jeweils mit einem „D“ anfangen :-P
Fazit: Das „Root: Das Rollenspiel“-Grundregelwerk (Link) mag auf den ersten Blick wie ein niedlichen Tier-Rollenspiel für Kinder erscheinen, doch das ist es keinesfalls. Nein, hier geht es um Mord und Totschlag als Setting für ein durchaus taktisches Erzählspiel, bei dem die simple 2W6-Grundmechanik über den „Crunch“ hinwegtäuscht. Hat man sich da aber mal reingefuchst, ist das für jugendliche und erwachsene Rollenspiel-Fans der ideale nächste Schritt, wenn man das in jeglicher Hinsicht kindgerechtere „Mausritter“ hinter sich lassen will. Solange man sich also mit den „Powered by the Apoalypse“-Regeln anfreunden kann, ist das hier definitiv einen Blick wert!